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Die Akte Anis AmriVertuschung ja, Strafvereitelung nein

Polizisten haben nach dem Berliner Terroranschlag die Akte über den Attentäter verändert. Die Staatsanwaltschaft erhebt keine Anklage.

Pressekonferenz zu Akten-Gate: Vertreter der Staatsanwaltschaft erklären ihre Entscheidung Foto: dpa

BERLIN taz | Die nachträgliche Veränderung von Akten zum späteren Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri wird keine Anklage gegen Polizisten zur Folge haben. Die Berliner Staatsanwaltschaft bilanzierte am Mittwoch das Fazit ihrer Ermittlungen sinngemäß so: Was ein Berliner Kripo-Kommissar nach dem Anschlag im Dezember 2016 tat, war „inhaltlich nicht richtig“ und mutmaßlich der Versuch, fehlerhafte Arbeit zu verschleiern, aber keine Strafvereitelung – und nur die ist strafbar. Die zuständigen beiden Staatsanwälte deuteten aber an, dass sich durch einen „Zufallsfund“ bei den Ermittlungen disziplinarische Maßnahmen ergeben könnten. Das sei aber Sache der Polizei.

Amri war am 19. Dezember 2016 mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gefahren und hatte zwölf Menschen getötet. Bereits zwei Monate zuvor hatte eine Polizistin Amri und einem weiteren Mann in einer zehnseitigen Überwachungsauswertung bandenmäßigen Rauschgifthandel zugeschrieben. Nach dem Anschlag kürzte der Beschuldigte diesen Bericht auf zwei Seiten zusammen, in denen nur noch von „Kleinsthandel“ die Rede ist. An der Änderung soll auch ein Vorgesetzter beteiligt gewesen sein. Im Kurzbericht taucht zudem der zweite Drogenhändler nicht mehr auf. Sein Namen verschwand auch aus dem Polizei-Computersystem. Das deckte im Frühjahr 2017 ein Sonderermittler der Berliner Landesregierung auf, worauf der Polizeipräsident Anzeige wegen Strafvereitelung stellte.

„Nicht jede fehlerhafte Sachbearbeitung durch die Polizei ist eine Strafvereitelung“, sagte Staatsanwalt Holger Brocke, der mit Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra in dieser Sache ermittelte. Beide sahen keinen ausreichen Beleg dafür, dass der Polizist Amris mutmaßlichen Rauschgift-Mittäter schützen wollte – und nur darum geht es beim Tatbestand der „Strafvereitelung im Amt“.

Kamstra vermutete anderes als Grund für die nachträgliche Aktenveränderung: Der Beamte habe sich „unangenehmen Fragen entziehen“ wollen – was aber nur eine Spekulation sei. Später formulierte er, der Polizist habe „fehlerhafte Arbeit glatt ziehen“ wollen. Das war schon die generelle Vermutung, als die Sache im Mai 2017 bekannt wurde. Auf die taz-Frage, ob man den Beschuldigten direkt mit dieser Vermutung konfrontierte, sagte Kamstra, dass es gar keine direkte Befragung des Polizisten gab. Dieser habe sich schriftlich über seinen Anwalt geäußert. Auf eine persönliche Befragung habe man rechtlich keinen Anspruch gehabt.

Polizeigewerkschaft begrüßt Entscheidung

Kritiker hatten nach Bekanntwerden der Veränderungen geäußert, man hätte Amri als Rauschgifthändler festnehmen können, wodurch es nicht zu dem Anschlag gekommen wäre. Staatsanwalt Brocke warnte am Mittwoch davor, den jetzigen Kenntnisstand mit dem vor dem Anschlag zu vermengen.

Dieses Verfahren war zusammengeschustert

Detlef Herrmann, GdP-Vize

Vom Berliner Innensenator, in dessen Auftrag die Anzeige in Gang kam, gab es bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme. Anders die Gewerkschaft der Polizei (GdP): Die begrüßte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, keine Anklage zu erheben, und kritisierte, man habe die Betroffenen vorverurteilt. „Dieses Verfahren war von Anfang an eine zusammengeschusterte Konstruktion, um irgendjemanden als Sündenbock für strukturelle Unzulänglichkeiten verantwortlich machen zu können“, sagte Berlins Vize-GdP-Chef Detlef Herrmann.

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