Die AfD vor dem Parteitag: Gerangel um Gaulands Nachfolge

Am Wochenende wählt die AfD ihren Bundesvorstand neu. Der alte Parteichef hatte einen Favoriten, doch es gibt weit mehr KandidatInnen als gedacht.

Alexander Gauland liest in Akten

So ziemlich das Einzige, was klar ist: Alexander Gauland wird nicht AfD-Chef bleiben Foto: Gregor Fischer/dpa

BERLIN taz | In der AfD haben viele gespannt auf ein Signal aus dem sechsten Stock im Jakob-Kaiser-Haus gewartet. Vor zwei Jahren hat hier Alexander Gauland sein Büro mit Blick auf den Reichstag bezogen, jüngst ist er als Fraktionschef wiedergewählt worden. Seinen anderen Posten, den des Parteichefs an der Seite von Jörg Meuthen, will der 78-Jährige mit Blick auf sein Alter und seine Gesundheit abgeben. Auch soll der „gärige Haufen“, wie Gauland die AfD gern nennt, lernen, einen geordneten Übergang an der Parteispitze hinzukriegen. Es wäre eine Premiere.

Lange hat Gauland über einen Nachfolger nachgedacht. Einer aus dem Osten sollte es sein. Nicht zu radikal, aber mit der Fähigkeit, den „Flügel“ einzubinden. Ins bürgerliche Lager vermittelbar. Und mehrheitsfähig in der AfD. Viele kommen da nicht infrage. Am Ende blieb Tino Chrupalla, 44, Malermeister aus Görlitz in Sachsen.

Im Jahr 2017 zog Chrupalla mit einem Direktmandat in den Bundestag ein, das hatte er Michael Kretschmer, heute CDU-Ministerpräsident, abgenommen. Im Bundestag wurde er Vize-Fraktionschef, und als es Probleme mit korrekter Buchführung gab, nahm Chrupalla sich dessen an. Chrupalla soll, so Gaulands bisheriger Plan, am Samstag auf dem Bundesparteitag in Braunschweig zu seinem Nachfolger gewählt werden.

Doch ob es so kommt, ist ungewiss. Inzwischen hat Gottfried Curio, innenpolitischer Sprecher im Bundestag und für scharfe Reden bekannt, seine Gegenkandidatur angekündigt. Auch Dana Guth, Landes- und Fraktionschefin in Niedersachsen, will dem Vernehmen nach kandidieren. Während ihr parteiintern keine großen Chancen eingeräumt werden, ist das bei Curio anders.

Wer radikaler ist? Schwer zu sagen

Der Westberliner, habilitierter Physiker, gilt als „YouTube-Star“ der Bundestagsfraktion, für seine Demagogie wird er an der Basis geliebt. Chrupalla selbst weiß, dass es eng werden kann. „Es ist immer ein Wagnis anzutreten“, sagt er.

Wer von den beiden Männern inhaltlich für den radikaleren Kurs steht, ist nicht leicht zu sagen. Beide sind keine Mitglieder des „Flügels“, aber diesem auch nicht abgeneigt. Chrupalla gilt zwar als wirtschaftsliberal, bei Wahlkampfveranstaltungen redet er aber auch schon mal von „Umvolkung“, klar rechtsextremes Vokabular. Anfang des Jahres hatte er in einem Brief an die Mitglieder seines Kreisverbands zudem angekündigt, schwarze Listen mit den Namen von „unseriösen“ Journalisten führen zu wollen. Doch generell steht Chrupalla im Vergleich zu Curio für einen gemäßigteren Ton. Und: Er gilt parteiintern als kommunikativ und teamfähig, Curio dagegen als verschrobener Einzelgänger.

Doch während Curios Reden bei vielen Parteifans für Begeisterung sorgen, löst Chrupalla wenig Leidenschaft aus. Im Westen, wo die meisten Delegierten herkommen, kennen ihn viele kaum. Andere sind der Ansicht, der Handwerker hätte nicht das intellektuelle Format eines Parteichefs, auch könne er vor der Hauptstadtpresse nicht bestehen.

Wird Gauland also vielleicht doch noch einmal antreten, weil ihm die Gefahr zu groß ist, dass Curio gewinnt? Diese Frage stellten sich in den vergangenen Tagen viele in der Partei. Doch seit Dienstagabend ist klar: Gauland wird nicht kandidieren. Darauf soll sich die AfD-Spitze bei einem Treffen geeinigt haben. Die FAZ hat zuerst darüber berichtet. Teilgenommen an dem Treffen haben nach ihren Informationen neben Gauland und Chrupalla auch Meuthen, Fraktionschefin Alice Weidel, der Brandenburger Landeschef Andreas Kalbitz, der auch inoffizieller Chef des „Flügels“ ist. Das Treffen kam zu der Ansicht, dass Chrupallas Chancen, gewählt zu werden, groß sind.

Wohl kein Durchmarsch des Flügels

Auch Meuthen, Gaulands Co-Vorsitzender, der vor zwei Jahren ohne Gegenkandidat mit 72 Prozent gewählt worden war, bekommt dieses Mal Konkurrenz. Nicole Höchst, Bundestagsabgeordnete aus Rheinland-Pfalz, wird wohl gegen ihn antreten. Dies hört man auch über den ehemaligen ARD-Korrespondenten Armin-Paul Hampel, der ebenfalls im Bundestag sitzt. Höchst, die von einem Teil des „Flügels“ unterstützt wird, gilt als die mehr ernst zu nehmende Kandidatin. Sie hat gerade in einem Interview die Kanzlerin mit Hitler verglichen und wird von externen KritikerInnen als homophob und behindertenfeindlich bezeichnet.

Noch größeres Gedränge wird es wohl bei den Posten der drei stellvertretenden ParteichefInnen geben. Hier werden Weidel und Roland Hartwig, Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundesfraktion, als aussichtsreiche KandidatInnen gehandelt. Weidel und Hartwig stehen beide auch auf einer Unterstützungsliste des „Flügels“, die kursiert – obwohl sie nicht zu der radikal rechten Strömung gehören.

Ohnehin ist von eigenem „Flügel“-Personal nur wenig die Rede. Mit einer Kandidatur Björn Höckes, der auf dem Kyffhäuser-Treffen im Juli noch großspurig angekündigt hatte, er werde sich „mit großer Leidenschaft der Neuwahl des Bundesvorstands hingeben“, rechnet niemand. Wieder antreten werden wohl Kalbitz, der Brandenburger Fraktionschef mit rechtsextremer Biografie, und Frank Pasemann, Bundestagsabgeordneter aus Sachsen-Anhalt. Nach einem Durchmarsch des „Flügels“, wie mitunter nach den Wahlen in Ostdeutschland vermutet worden war, sieht das bislang nicht aus.

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