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Deutschtümeln ist passé

■ Bundesverwaltungsgericht sortiert Rußlanddeutsche

Menschlich mag es bedauerlich sein, daß der 31jährige Sohn einer deutschen Mutter und eines russischen Vaters nicht wie seine Eltern in die Bundesrepublik einwandern darf. Was ihm höchstrichterlich nun zum Verhängnis wurde, ist seit Mitte Juli Praxis in deutschen Vertretungen in der ehemaligen Sowjetunion: Der Mann scheiterte, weil er kein Deutsch spricht.

Fatal für viele Russen, die sich als Angehörige der deutschen Minderheit empfinden, ist nun, daß sie in der Tat fast nie Deutsch gelernt haben – auch weil ihre Eltern es nicht sprechen durften, um nicht diskriminiert zu werden. Die Richter kümmerte die Geschichte der deutschen Minderheit in Rußland wenig. Sie gingen offenbar davon aus, daß das Gros der Aussiedler mehr aus ökonomischen und weniger aus kulturellen Gründen kommen will.

Das Urteil, das erstmals die Erlaubnis absegnet, Rußlanddeutsche sortieren zu dürfen, läuft auf eine Aushebelung des Vertriebenengesetzes hinaus. 1996 werden wahrscheinlich 30.000 Aussiedler weniger als im Vorjahr nach Deutschland einwandern dürfen. Der Richterspruch legt dringend nahe, das gesamte Staatsbürgerschaftsrecht gründlich zu revidieren. Dabei gehört das deutschtümelnde Recht getilgt. So ist zu begrüßen, daß – wenn auch in erster Linie durch die Not der öffentlichen Kassen – die Privilegien für die Rußlanddeutschen beseitigt werden. Dabei hat dieses Urteil viel mit dem politischen Opportunismus der Christdemokraten zu tun. An ihnen läge es, das Vertriebenengesetz zu streichen: Es fehlt inzwischen an Kundschaft. Oder ist ein seit 20 Jahren hier lebender und fließend Deutsch sprechender Einwanderer aus der Türkei weniger deutsch als einer, der aus Kasachstan einreist und mit Hinweis auf seine Deutsch sprechenden Eltern beansprucht, Deutscher zu sein?

Es fehlt an einem Einwanderungsgesetz. Doch das wollen weder CDU noch CSU. Sie würden um keinen Preis ihre ideologisch an Blut-und-Boden-Phantasien orientierten Stammwähler verprellen. Ohne es zu wollen, haben die Bundesverwaltungsrichter auf dieses Mißverhältnis hingewiesen. Daß sie den Einwanderer aus Rußland nicht zu seinen Eltern lassen, ist trotzdem rechtlich so erlaubt wie menschlich fragwürdig. Jan Feddersen

Bericht Seite 2

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