Deutschlandweite Mietenproteste: „Die soziale Frage unserer Zeit“

Politiker*innen von SPD und Grünen fordern mehr bezahlbare Wohnungen. Der Deutsche-Wohnen-Vorsitzende will mehr staatliche Förderung.

„Keine Rendite mit der Miete“ steht auf dem Plakat, mit dem Demonstranten gegen steigende Mieten und mögliche Räumungen im Berliner Stadtteil Kreuzberg protestieren

In vielen deutschen Städten gehen am Samstag Menschen gegen steigende Mieten auf die Straße Foto: dpa

ESSEN/OLDENBURG/BERLIN epd/taz | Vor den deutschlandweiten Demonstrationen für bezahlbaren Wohnraum hat Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) Initiativen für mehr Wohnungsbau gefordert. „Hier brauchen wir mehr öffentliche und private Investitionen und eine bessere Unterstützung von Familien bei der Schaffung von Wohneigentum“, sagte Barley den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Die geplante Einführung des Bestellerprinzips beim Immobilienkauf solle gerade jungen Familien beim Haus- oder Wohnungskauf deutlich entlasten.

„Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit“, sagte Barley: „Eigentum verpflichtet! Das steht im Grundgesetz, und daran müssen sich auch Finanzinvestoren und Spekulanten halten.“

Unter dem Motto „Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“ sind am Samstag in mehreren deutschen Städten Demonstrationen angekündigt, unter anderem in Berlin, Hannover, Göttingen, Bremen, Hamburg, Frankfurt am Main, Dresden und München.

In Berlin sollte parallel dazu am Samstag die Unterschriftensammlung für das umstrittene Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ starten. Ein Bündnis von Mieterinitiativen verfolgt damit das Ziel, Immobilienkonzerne mit mehr als 3.000 Wohnungen enteignen zu lassen. Das Volksbegehren zielt vor allem auf die Deutsche Wohnen, das laut Initiative mit rund 100.000 Wohnungen größte private Wohnungsunternehmen in der Hauptstadt.

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Wohnen, Michael Zahn, äußerte Verständnis für die Probleme Wohnungssuchender, forderte aber zugleich mehr staatliche Förderung. „Es gibt Menschen, die finden keine Wohnung, Familien können sich nicht verändern, andere sehen in ihrer Stadt keine Perspektive mehr. Das ist ein Zustand, den man nicht akzeptieren kann“, sagte Zahn der taz. Er kritisiere aber „eine Politik, die immer über bezahlbares Wohnen spricht, aber noch nie gesagt hat, wie das aussehen soll“.

„Wenn Wohnungswirtschaft und Politik zusammenarbeiten würden, könnte man in einer konzertierten Aktion zum Beispiel entscheiden, in einer Übergangsphase von einigen Jahren einkommensabhängig auf Mietsteigerungen zu verzichten“, so Zahn.

„Wohnen ist ein Grundrecht“

Die Grünen sehen beim Thema Wohnungsnot auch die EU in der Pflicht. In einem Vier-Punkte-Plan zur Europawahl, der den Funke-Zeitungen vorliegt, fordern die Grünen, dass Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) für den sozialen Wohnungsbau genutzt werden. „Dass sich Menschen ein zentrales Grundbedürfnis wie Wohnen nicht leisten können, ist eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft“, sagte Sven Giegold, Spitzenkandidat der Grünen bei der Europa-Wahl.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, hat anlässlich der für Samstag in vielen Städten geplanten Demonstrationen gegen steigende Mieten den Bund aufgefordert, eine „Mietengarantie“ einzuführen. Damit könne „ein weiteres Explodieren der Mietkosten verhindert“ werden, sagte Göring-Eckardt der Oldenburger Nordwest-Zeitung. „Im Grundgesetz steht, Eigentum verpflichtet. Wenn Eigentum verfällt oder zur Spekulation genutzt wird, müssen die Kommunen das Recht zum Eingreifen haben“, sagte die Grünen-Politikerin.

Sie forderte als Sofortprogramm eine neue Wohngemeinnützigkeit, um schnell viele bezahlbare Wohnungen zu bauen. Der Bund sollte dafür drei Milliarden Euro jährlich bereitstellen. Um das zu finanzieren, sollte er auf das Baukindergeld verzichten. Kommunen müssten ein längeres Vorkaufsrecht für Wohnimmobilien bekommen.

Die Politik sollte nach Ansicht Göring-Eckardts darüber nachdenken, ob ein Recht auf Wohnen, wie es in einem Verfassungsentwurf des Runden Tisches in der DDR vor 30 Jahren vorgesehen gewesen sei, eingeführt werden sollte: „Wohnen ist ein Grundrecht. Es sollte eine Garantie dafür geben.“

FDP-Chef Christian Lindner sieht die angekündigten Demonstrationen gegen steigende Mieten kritisch. „Die allermeisten Vermieter sind fair und schöpfen oft die gesetzlichen Möglichkeiten für Mieterhöhungen nicht mal aus“, sagte Lindner den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Statt gegen Immobilienunternehmen sollten die Bürger gegen die Politik demonstrieren. Die habe in der Wohnungspolitik Fehler gemacht. Der Staat stelle immer höhere Anforderungen an Neubauten – etwa in den Bereichen Barrierefreiheit oder Gebäudedämmung. Zugleich sei er nicht in der Lage, schnell Baugenehmigungen auszusprechen.

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