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Deutschlandtag der Jungen UnionKanzler ohne Spaß im Funpark

Die Junge Union lehnt das geplante Rentenpaket ab und droht, es zu blockieren. Aber Kanzler Merz will die schwarz-rote Koalition nicht gefährden.

Johannes Winkel und Friedrich Merz, der den Parteinachwuchs enttäuscht hat Foto: Philipp von Ditfurth/dpa
Benno Stieber

Aus Rust

Benno Stieber

Für Unionsverhältnisse liegt ein Hauch von Revolte in der Luft. Keine Hand rührt sich minutenlang, als der Kanzler in seiner Rede zu dem einen Thema kommt, das die Parteijugend so stark beschäftigt wie kein anderes. Das Rentenpaket der Großen Koalition. Der Deutschlandtag der Jungen Union war im letzten Jahr noch eine Feierstunde für den Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Ein Jahr später im Konferenzzentrum im Europapark nahe Freiburg mag sich im Schatten von Karussell und Achterbahnen keine Freizeitparkstimmung einstellen.

Es ist eher so, wie wenn man zwei Autos dabei zuschaut, wie sie aufeinander zurasen. Seit Wochen schwelt der Streit in der CDU-Fraktion. Die „Junge Gruppe“, 18 CDU-Abgeordnete, die alle Mitglieder der Jungen Union sind, wollen dem Rentenpaket, wie es das Kabinett beschlossen hat, nicht zustimmen. Denn im Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass auch nach 2031 das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen soll. Zusätzlich 118 Milliarden Euro würde das kosten, rechnen die Jungen in der Union vor, ihre Generation werde das bezahlen. Neben dem Verschuldungsargument pochen die Jungen darauf, wie im Koalitionsvertrag vereinbart zum sogenannten Nachhaltigkeitsfaktor zurückzukehren.

Zur Jungen Gruppe gehören der Rentenexperte der Fraktion Pascal Redding und der JU-Vorsitzende Johannes Winkel. Ohne die 18 Abgeordneten fehlt der Großen Koalition im Bundestag die Mehrheit. Sie drohen nach langen Verhandlungen nun offen damit, das Rentenpaket im Bundestag scheitern zu lassen.

Und schon am Abend vor dem Auftritt des Kanzlers ist klar, hinter der Jungen Gruppe steht geschlossen die Junge Union. Ohne sie wäre Friedrich Merz nicht Kandidat und Kanzler geworden, behauptet Johannes Winkel. Er habe sich immer auf die Junge Union verlassen können, sagt der Bundesvorsitzende in seiner Rede, „und jetzt verlässt sich die Junge Union auf Friedrich Merz.“

Merz warnt die Junge Union vor einem Unterbietungswettbewerb beim Rentenniveau

Aber können sie das? Zwar marschiert der Kanzler zu den Klängen von „High Hopes“ in die Konferenzhalle. Aber er scheint bereit zu sein, die JU-Delegierten zu enttäuschen. Es klingt eher, als wollte Merz der Parteijugend sagen, sie sollen das mal den Papa machen lassen, schließlich gibt es in der politischen Großwetterlage wahrlich auch andere Themen. Mit den Kosten zum Rentenniveau werde es schon nicht so schlimm kommen.

Bleierne Stille über der Halle

Es gehe im Koalitionsausschuss in Berlin nicht nur um das Rentenniveau, sondern um ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um Renten auch künftig finanzierbar zu machen. Und dann warnt er die Junge Union vor einem „Unterbietungswettbewerb“: „Glaubt ihr wirklich, dass wir den gewinnen?“, fragt er die Delegierten. „Ich will auch noch vor der Seniorenunion so reden können wie bei euch.“

Minutenlang liegt bleierne Stille über der Halle. Das ganze Sozialsystem sei ohnehin nur finanzierbar, wenn Deutschland wieder eine erfolgreiche Volkswirtschaft werde. Daran arbeite die Koalition. Unruhe erfasst die Delegierten, beim Unterbietungswettbewerb fühlen sie sich vom Kanzler bewusst missverstanden. Am Schluss höflicher, fast kühler Applaus, mehr nicht.

Jubel kommt erst wieder in der Aussprache auf, als Delegierte die Position der Jungen weiter starkmachen. Der Kanzler macht noch einmal klar, dass auch die SPD dazu bereit sei, die drei Rentensäulen, gesetzliche Rente, private Vorsorge und Betriebsrenten neu auszutarieren. Das sei für die Sozialdemokraten ein weiter Weg, der anerkannt werden müsse. Merz zeigt Verständnis für die Position des Koalitionspartners, der Widerstände in ihrer Wählerschaft berücksichtigen müsse. Da bleiben nur warme Worte für die eigene Parteijugend.

Damit geht der Kanzler ab. Offenbar ist er bereit, diesen Konflikt in den eigenen Reihen auszusitzen und verweist ihn damit vom Deutschlandtag gewissermaßen zurück in die Fraktion. Wird es Jens Spahn gelingen, in der Koalition die Mehrheit in der Fraktion zu organisieren? Oder scheitert er, wie zuletzt bei der Richterwahl von Frauke Brosius-Gersdorf, die Merz, „eine dämliche Debatte vor der Sommerpause“ genannt hatte.

Auch Jens Spahn ist am Samstagnachmittag zu Gast bei der Jungen Union. Und am Sonntag kommt dann noch Markus Söder (CSU), der mit seiner Mütterrente schon bei der Jungen Union Bayern verhauen wurde. Alle halten eigentlich die gleiche Rede: Sie loben die Entscheidungen der Regierung und speziell den Kanzler, auch die Stadtbildbemerkung.

Sie verweisen auf die allgemein schwierige Weltlage, die komplizierten Mehrheitsverhältnisse in deutschen Parlamenten, streicheln die Seele der Parteijugend für ihre Beharrlichkeit und ihre konstruktiven Beiträge. Aber sie verweisen auf die Verantwortung der Großen Koalition und dass Mehrheiten weiter in der politischen Mitte gewonnen werden müssten. Klar wird: Für keinen in der Unionsspitze kommt es in Frage, den Koalitionsbruch wegen einem Renten-Prozentpunkt zu riskieren.

Die SPD weiß das zu nutzen. Während die CDU-Parteijugend noch enttäuscht dem Kanzler lauscht, versucht der Vizekanzler Lars Klingbeil ebenfalls im Südwesten klare Verhältnisse zu schaffen. Auf dem Landesparteitag der SPD in Ulm sagt er: „Ich sage euch in aller Klarheit: An diesem Gesetz wird nichts mehr geändert.“ Er klingt ein bisschen wie seinerzeit der Basta-Kanzler Gerhard Schröder. Das waren noch übersichtlichere Zeiten.

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