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Deutschlands AfrikapolitikJetzt mit Konzept

Erstmals hat die Bundesregierung ein Konzept für ihre Afrikapolitik erarbeitet. Es nimmt einen optimistischen Blick auf den Kontinent ein.

Akzentverschiebung in der Afrikapolitik: Außenminister Guido Westerwelle. Bild: reuters

BERLIN taz | Nach jahrelanger Arbeit hat die deutsche Bundesregierung gestern erstmals ein Afrikakonzept vorgelegt. In Nachfolge des Lateinamerikakonzeptes von 2010 dient das 35seitige Dokument, das Bundesaußenminister Guido Westerwelle im Auswärtigen Amt der Öffentlichkeit vorstellte, vor allem der besseren Abstimmung zwischen deutschen staatlichen Akteuren. "Die Bundesregierung will in ihrer Afrikapolitik einheitlicher agieren", verspricht das Konzept.

Es ist ein sehr breit gefasster Rahmen, der die rasanten Veränderungen Afrikas zum Anlass nimmt, einen grundsätzlich optimistischen Blick einzunehmen. "Die Mehrheit der über eine Milliarde Afrikanerinnen und Afrikaner fordert Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Einhaltung der Menschenrechte. Dies gilt aktuell nicht nur in den Ländern Nordafrikas, sondern auf dem gesamten afrikanischen Kontinent", heißt es gleich zu Beginn.

"In einer zunehmenden Zahl von afrikanischen Staaten übernehmen verantwortungsbewusste Regierungen die Führung und werden von einer aktiven Zivilgesellschaft kontrolliert... Afrika ist zudem mittlerweile selbst ein Akteur auf globaler Bühne". Weiter wird betont: "Deutsche und europäische Kooperation ist weit mehr als Entwicklungszusammenarbeit".

Hinter solchen Feststellungen verbirgt sich eine Akzentverschiebung in der Bundesregierung seit dem Amtsantritt der schwarz-gelben Koalition. Während bis 2009 die SPD-Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und unter Rot-Grün auch die grüne G8-Beauftragte des Bundeskanzleramtes, Uschi Eid, eine führende Rolle bei der deutschen Politik gegenüber Afrika beanspruchten, steht jetzt das Auswärtige Amt im Mittelpunkt - und dafür sorgt der erst am 1. November 2010 ernannte Afrika-Beauftragte Walter Lindner, früher Botschafter in Kenia und davor Sprecher des grünen Außenministers Joschka Fischer.

Mühsam kaschierte Grabenkämpfe

"Das Auswärtige Amt ist für die Kohärenz deutscher Vorhaben in Afrika und das geschlossene Auftreten in internationalen Organisationen zuständig", stellt das Konzept überraschend deutlich klar. Die Grabenkämpfe, die diese Formulierung nur mühsam kaschiert, waren einer von mehreren Gründen, warum das seit Jahren versprochene Konzept erst jetzt fertig wurde.

In der Praxis deutschen Regierungshandelns bedeutet das eine engere Verzahnung der zuständigen Ministerien unter Führung des Auswärtigen Amtes und eine "fortlaufende Kontrolle der Wirksamkeit und Effizienz der eingesetzten Mittel... Dies gilt insbesondere für die Mittel der Entwicklungspolitik." Im Umgang mit Afrika bedeutet es, Afrika nicht mehr als Sonderfall zu behandeln, sondern als ein normales Gegenüber, und das wird Afrikaner am Konzept am meisten freuen.

"Afrika und Deutschland wollen als Partner auf Augenhöhe mit gemeinsamen Interessen und jenseits überholter Geber-Nehmer-Strukturen zusammenarbeiten", betont das Konzept. Auch die Neuerung, den Blick auf den gesamten afrikanischen Kontinent zu richten statt wie früher nur auf Afrika südlich der Sahara und damit nebenbei Nordafrikas Revolutionen als Teil eines gesamtafrikanischen Fortschritts zu würdigen, ermöglicht eine Politisierung der Afrikapolitik. "Die deutsche Politik dient der Verwirklichung der Menschenrechte", führt das Konzept aus. "Unsere Partner in Afirka sind dabei an erster Stelle jene Länder, die diese Werte teilen."

Im Einzelnen heißt das die Förderung von Zivilgesellschaft und Rechtsstaatlichkeit. Eine weitere wichtige Dimension ist der klassische Wirtschaftsliberalismus, also die Förderung von Freihandel und Auslandsinvestitionen, von Rohstoffpartnerschaften und nachhaltigen Wachstums in Afrika. Quer durch alle Bereiche zieht sich "die Stärkung der afrikanischen Eigenverantwortung", auch im Bereich Frieden und Sicherheit.

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5 Kommentare

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  • J
    Jonas

    Ich schließe mich Lotte an, würde aber auch nochmal auf die unfassbar perfide Formulierung "jenseits überholter Geber-Nehmer-Strukturen zusammenarbeiten" hinweisen.

     

    Wer wird da als Geber, wer als Nehmer suggeriert?

    Entweder wird da ein Ende von jeglichem Kolonialismus behauptet oder Afrika als Almosenempfängerin/Schmarotzerin dargestellt.. Ziemlich krass.

  • L
    Lotte

    Meiner Meinung nach geht auch der Artikel der Linksfraktion in die falsche Richtung, da klingt es ja als sei die Entwicklungs"zusammenarbeit" so was tolles, dass man sie nie auflösen darf...

  • AK
    A Kinkel

    aha!

     

    Wenn man bei der taz schon keinen kritisch reflektierten Beitrag bekommt, möchte ich wenigstens auf einen solchen hinweisen:

     

    http://linksfraktion.de/pressemitteilungen/entwicklungszusammenarbeit-wird-neoliberaler-marktlogik-geopfert/

  • L
    Lotte

    "Afrika und Deutschland wollen als Partner auf Augenhöhe mit gemeinsamen Interessen und jenseits überholter Geber-Nehmer-Strukturen zusammenarbeiten"

     

    Ist Afrika ein Land? Schon allein dieses Zitat aus dem Konzept zeigt nur allzu deutlich dass "überholte Strukturen" noch längst nicht überwunden werden! Es gibt 53 afrikanische Staaten, diese kann man in keinem Fall alle in einen Topf werfen und mit Deutschland (einem einzigen Land) "auf Augenhöhe" stellen. Wie kann denn ein ganzer Kontinent ein Partner von Deutschland sein?

    Und wie kann ein Konzept mit 35 Seiten den kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und ethnischen Unterschieden der afrikanischen Länder nur ansatzweise gerecht werden?

    Das sind 0,6 Seiten pro Staat, das heißt gerade mal etwas mehr als eine halbe Seite. Aber warum auch auf einzelne Staaten eingehen, "Afrika" ist ja jetzt unser "Partner auf Augenhöhe".

     

    Ich hätte mir von der Taz einen wesentlich kritischeren Blick auf dieses Konzept gewünscht.

    Den Satz "Im Umgang mit Afrika bedeutet es, Afrika nicht mehr als Sonderfall zu behandeln, sondern als ein normales Gegenüber, und das wird Afrikaner am Konzept am meisten freuen.", empfinde ich als Hohn.

    Hat der Autor mit einem Afrikaner oder einer Afrikanerin bzw. mehreren darüber gesprochen? Glaubt er wirklich daran, dass der Umgang mit Afrika sich ändern wird, nur weil es irgendwo auf 35 Seiten steht?

    Was sich ändern muss sind die Denkmuster und nicht irgendwelche "Konzepte" und bis dahin ist es noch ein langer Weg.

  • C
    Celsus

    Ja. Langsam, aber leider viel zu langsam lernt die derzeitige Koalitionsregierung dazu. Aber die Hoffnung, dass die ihre Lerngeschwindigkeit ohne Wählerwanderungen noch optimieren würden, wäre verwegen.