Deutschland und die Türkei: Deniz Yücel ohne deutsche Hilfe
Die Bundesregierung fordert den konsularischen Zugang zu Deniz Yücel und seine Freilassung. Die Türkei kündigt weitere Auftritte türkischer Politiker an.
Laut Angaben des Sprechers des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, ist es der deutschen Botschaft bislang noch nicht einmal gelungen, direkten Kontakt zu dem Welt-Korrespondenten und früheren taz-Redakteur aufzunehmen. Die Zusage eines konsularischen Zugangs, die der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım persönlich Bundeskanzlerin Angela Merkel gegeben habe, sei immer noch nicht eingelöst worden. „Wir haben einige Mühe, diese Zusage in die Wirklichkeit umgesetzt zu bekommen“, sagte Schäfer.
Warum bisher kein deutscher Konsularbeamter Yücel im Gefängnis habe besuchen können, sei unklar. „Warum das hakt und die Türken mit einer Umsetzung dieser Zusage zögern, entzieht sich total unserer Kenntnis und macht uns auch zunehmend ärgerlich“, so Schäfer.
Yücel sitzt seit Ende Februar wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda und Volksverhetzung in Untersuchungshaft. Zuvor war er bereits fast zwei Wochen in Polizeigewahrsam. Derzeit befindet sich der 43-Jährige, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, im westlich von Istanbul gelegenen Gefängnis Silivri in Einzelhaft.
Im Streit mit der Türkei über die Wahlkampfauftritte türkischer Minister bekräftigte Regierungssprecher Seibert die Haltung der Bundesregierung, kein generelles Verbot aussprechen zu wollen. Wenn Deutschland bei anderen Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit kritisiere, müssten diese Werte auch im eigenen Land ausgehalten werden.
Laut Außenamtssprecher Schäfer hat die türkische Regierung in der vergangenen Woche eine Liste mit anstehenden Besuchen türkischer PolitikerInnen in Deutschland übermittelt. Die Anzahl bezifferte er mir „zwei Dutzend plus“. Allerdings seien auf dieser Liste keine weiteren Auftritte von MinisterInnen oder gar von Präsident Erdoğan verzeichnet.
Eindringlich forderte die deutsche Regierung die Türkei außerdem auf, Nazi-Vergleiche zu unterlassen. Solche Äußerungen führten „völlig in die Irre und verharmlosen das Leid“, sagte Kanzlerin Merkel in München. „Gerade mit Blick auf die Niederlande, die so gelitten haben unter dem Nationalsozialismus, ist das völlig inakzeptabel.“ Deshalb hätte das Land ihre „volle Unterstützung und Solidarität“.
Steffen Seibert
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz bezeichnete die Situation als „dramatisch“. Er halte es „vom Grundsatz her für gefährlich“, dass die Türkei internationale Beziehungen zum Gegenstand von Wahlkampagnen mache, sagte er in Berlin. Dass die AKP-Regierung mit einer „verbalen Aufrüstung hin zu Nazi-Vergleichen“ operiere, weise er „mit aller Entschiedenheit zurück“.
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