Deutschland kauft faire Büroartikel ein: Die 20-Milliarden-Euro-Chance

Die Bundesregierung achtet beim Kauf von Büroartikeln künftig auf ethische Standards – nützt das der fairen Computermaus aus Oberbayern?

Manche Mäuse werden nicht fair gehandelt, andere Mäuse nicht fair behandelt. Bild: dpa

BERLIN taz | Das Scrollrad kommt jetzt aus Österreich und wird aus nachhaltig bewirtschaftetem Holz gefertigt. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft hat die Firma Nager IT ihre Computermaus ein wenig fairer gemacht. Der dunkelgrüne Büroartikel gilt in der Branche als eine Art Vorzeigeprojekt für faire IT, seit die erste Version vor zwei Jahren auf den Markt kam.

Die Maus steht aber auch für die Hürden, die Produkte überwinden müssen, bis sie tatsächlich als „fair“ gelten können. Auch die neue Maus kommt laut Nager IT erst zu zwei Dritteln aus fairer Produktion. Die Firma aus Oberbayern geht davon aus, dass ein völlig faires Produkt erst in Jahren auf dem Markt ist: Zu komplex ist es, faire Lieferketten vom Herstellungsland bis zur Lieferung zu garantieren.

Immerhin: Mitte November hat das Beschaffungsamt der Bundesregierung eine „Erklärung zur sozialen Nachhaltigkeit für IT“ unterzeichnet. Sie soll sicherstellen, dass Auftragnehmer des Bundes die Regeln der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) einhalten, also weder Zwangs- noch Kinderarbeit im Spiel ist. Erstmals gibt es sogar Sanktionen: Sollte eine Firma die ILO-Kriterien nicht erfüllen, drohen jetzt Vertragsstrafen oder auch Kontrollen in den Fabriken. Insgesamt geht es um ein Auftragsvolumen des Bundes in Höhe von 20 Milliarden Euro jährlich.

„Wir setzen auf einen Dominoeffekt, sodass bald andere Staaten und auch Konzerne ähnliche Erklärungen aufnehmen“, sagt Joachim Bühler vom Branchenverband Bitkom. Allerdings, so Bühler: „Die Komplexität zersplitterter Lieferketten bleibt bestehen.“ Das sieht auch Cornelia Heydenreich von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch so: Die Erklärung werde „mit Sicherheit nicht für den Durchbruch von fairer IT sorgen“.

Nur direkte Lieferanten erfasst

Zwar zeige das Papier, dass sich die öffentliche Hand aufgrund ihres Auftragsvolumens „in der Verantwortung sieht und auch stärker aktiv werden möchte“, aber: Die Erklärung erfasse nur die direkten Lieferanten, die häufig nur für die Endmontage zuständig sind. Je nach Produkt und Lieferkette könne es aber sechs bis neun Fertigungsstufen geben.

Annelie Avermann von Weed hält zudem die in der Erklärung verankerten ILO-Normen für viel zu lasch. Exzessive Überstunden etwa würden nicht berücksichtigt. Deshalb baut Weed derzeit zusammen mit anderen Organisationen „electronics watch“ auf. Ziel: „Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der globalen Elektronikindustrie“, sagt Avermann.

Der entscheidende Hebel dabei: Kontrolle. So sollen nach Bedarf auch investigative Ermittlungen und „Whistleblower“, also Informanten aus dem Firmenumfeld, zum Einsatz kommen. Die Kunden zögen mit, meint Avermann. Die Maus von Nager IT oder das Fairphone sind für sie „ein eindeutiges Zeichen, dass die Verbraucher solche Produkte wollen – und auch bereit dazu sind, dafür mehr zu zahlen“.

Ob die Verpflichtung des Bundes hilft und die faire Maus bald über die Behördenschreibtische der Republik flitzt, ist unklar. Beim Bundesbeschaffungsamt heißt es dazu nüchtern: „Die Maus von Nager IT ist uns bekannt“

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