Deutschland gegen Argentinien: "Die sind immer so abgewixt"
In München treffen am Mittwochabend zwei Fußball-Welten aufeinander. Löw setzt auf Disziplin, Maradona weiß es noch nicht und steckt sich erst mal eine Zigarre an.
"Philosophie, Philosophie." Diego Maradona lacht. Der Trainer weiß noch nicht so recht, wie seine Mannschaft aufstellen wird für das Testspiel gegen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Mittwoch Abend (ZDF, 20.45 Uhr). Zumindest sagt er das. Aber eigentlich hat er eh keine Lust, auf die Fragen der argentinischen Journalisten zu antworten. Das sind seine Feinde.
"Ihr seid gegen uns", hat Maradona ihnen ins Gesicht gesagt, "aber das argentinische Volk steht hinter uns." Und die Mannschaft, die wird er schon irgendwie aufstellen. Gute Spieler hat er ja jede Menge. "Zwei Stürmer, drei Stürmer, ich weiß es nicht." Gerade im Angriff wimmelt es nur so von großen Namen: Agüero, Higuain, Messi, Milito, Tevez. Alle werden nicht spielen können.
"Disziplin." Das ist die Tugend, mit der Bundestrainer Joachim Löw sich gegen die Argentinier wehren will. Hellwach müsse man sein in der "defensiven Rückwärtsbewegung" und taktisch "klug, ganz, ganz klug" agieren. Dafür will er "Risiko gehen". Einen neuen Weg wird er wohl im defensiven Mittelfeld beschreiten, wo er Bastian Schweinsteiger neben Michael Ballack vor die Abwehr stellen will.
Der Platz, den Schweinsteiger auf der rechten offensiven Mittelfeldseite bisher eigentlich immer eingenommen hat, wird dann frei. Toni Kroos, der in Leverkusen gereifte Hoffnungsträger Fußballdeutschlands, könnte da spielen. Aber auch Thomas Müller, der Aufsteiger im Team des FC Bayern, darf mit einem Einsatz rechnen.
Löw hat einen klaren Plan für das Spiel gegen Argentinien. Das Spiel nehme er als Test durchaus ernst. Aber irgendwie dann doch nicht allzu sehr. Für die WM habe das nicht viel zu bedeuten. Auch das Frühlingsspiel vor der Heim-WM 2006, das in Italien beim 1:4 regelrecht vergeigt wurde, habe nur dazu geführt, dass man wusste, wo man in der Detailarbeit vor dem Turnier noch ansetzen müsse. Die WM beginnt für Löw erst mit dem ersten Trainingslager nach der Saison. Von Vorfreude auf das Turnier, Aufregung, WM-Fieber gar, ist nichts zu spüren im deutschen Lager.
Diego Maradona hingegen ist schon ganz heiß auf Südafrika. Er denkt in den ganz großen Zusammenhängen. Er will Geschichte schreiben, neue argentinische WM-Helden kreieren. Schönen Fußball zelebrieren lassen möchte er. Gefreut habe er sich, als er gesehen habe, wie sich die Spieler beim Training präsentieren. Den WM-Spirit habe er da gespürt. "Das ist einfach schön." Dass seine Mannschaft in der Qualifikation so große Probleme hatte, zählt nicht mehr. Er glaubt an den Titel. "1986 haben wir auch überrascht." Maradona gibt den Motivator.
Ob er wirklich ein guter Trainer ist, weiß er wahrscheinlich selbst nicht. Dass er mit Carlos Bilardo als Sportdirektor einen Aufpasser vor die Nase gesetzt bekommen hat, ist ihm wurscht. Derzeit wird in Argentinien diskutiert, ob nicht der ehemalige Nationalverteidiger und Weltmeister von 1986 Oscar Ruggeri zum Trainerteam um Maradona gehören soll. "Keiner hindert ihn, in ein Flugzeug zu steigen und hierherzukommen", sagte Maradona. Soll doch neben ihm arbeiten, wer will. Diskussionen über seine Qualifikation als Trainer sind ihm scheißegal.
"Ungewöhnlich" findet Michael Ballack das Auftreten Maradonas in München. Das hat er noch nie gesehen, dass sich ein Trainer erst einmal eine Zigarre ansteckt, wenn die Spieler ihre Einheiten absolvieren. Am Montagabend liefen die argentinischen Stars auf dem Trainingsgelände des TSV 1860 München über den Platz, und Maradona stand an der Linie und dampfte eine Cohiba. Wer wollte, durfte sich das Spektakel anschauen.
Ein paar hundert Meter weiter, auf dem Gelände des FC Bayern, trainierten die Deutschen. Zumindest ein paar von ihnen. Viele durften sich schonen. Streng geheim war das Training. Die akribischen Deutschen gegen die schlampigen Argentinier. Kann das schiefgehen heute Abend? Michael Ballack ist sich nicht sicher. Die Argentinier seien immer so "abgewixt, wie wir in der Fußballersprache sagen", so Ballack. Da seien die Deutschen vom Charakter her ganz anders. Zwei Welten treffen da im Fröttmaninger Stadion aufeinander. Bundestrainer Löw erwartet ein "spektakuläres Spiel".
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