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Deutsches Tennis-Doppel überrascht„Jeder kann hier gegen jeden gewinnen“

Das formidable Tennis-Duo Kevin Krawietz und Tim Pütz zeigt beim ATP-Finale erneut sein Können. Beachtung finden die beiden dennoch kaum.

Kevin Krawietz (l.) und Tim Puetz hatten bei ihrem ersten Auftritt in Turin ein gutes Näschen Foto: Marco Canonieroy/imago

Natürlich ist es in Turin nicht anders als im Rest der langen Tennissaison, bei allen anderen Turnieren. Die großen Solisten, die besten Einzelkünstler stehen Tag für Tag im Mittelpunkt der schillernden WM-Show, die Sinners, Alcaraz oder Zverevs. Gewinnen sie, wie Alexander Zverev am Montagabend sein Eröffnungsmatch souverän gegen den Russen Andrej Rublew (6:4, 6:4), ist die Halle selbstverständlich voll, keiner der Stars muss sich über fehlendes Interesse oder mangelnde Beachtung beschweren.

Dass beim Saisonausklang in Italien auch die acht stärksten Doppel der Welt antreten, dürfte selbst vielen Tennis-Interessierten nicht unbedingt bekannt sein. Der Pärchenbetrieb muss mühsam um Aufmerksamkeit kämpfen, oft gilt er nur als ungeliebtes Beiwerk, Anhängsel und Vorprogramm für die Solokämpfer. Als Deutschlands Paradedoppel Kevin Krawietz/Tim Pütz jüngst bei den US Open das Finale erreichte, durften sie bei ihrer Niederlage das erste und einzige Mal überhaupt auf dem riesigen Centre Court spielen – das Ashe-Stadion war ansprechend, aber letztlich doch bescheiden gefüllt.

„Wir sehen das pragmatisch, freuen uns über jeden, der zuschaut. Und machen weiter Werbung für unsere Disziplin“, sagt Tim Pütz, der wuselige Frankfurter. Beim Turiner-Showdown erwischten sie nun am Montag einen überraschenden Traumstart, siegten recht deutlich gegen das Nummer- eins-Doppel Marcelo Arevalo/Mate Pavić aus El Salvador und Kroatien (6:3, 6:4). Gefeiert wurde anschließend kräftig, ganz nebenbei auch der Geburtstag von Vater Krawietz.

Pütz und sein Kompagnon Kra­wietz, der eher zurückhaltende Oberfranke, haben in vielen Profijahren auf der großen Tour schon zu vieles erlebt, um sich noch über die Verhältnisse zwischen Doppel und Einzel aufzuregen. Krawietz war einst Teil des Erfolgsduos „KraMies“, zusammen mit dem Kölner Andreas Mies. Sie schrieben deutsche Tennisgeschichte, gewannen zwei Mal die French Open; es war nichts weniger als die größte schwarz-rot-goldene Centre-Court-Sensation seit den Tagen von Becker und Stich. Als sich Krawietz und Mies über die Zeit auseinandergelebt hatten, trat Pütz an die Stelle von Mies. Neuer Kampfname: KraPütz.

Ein Leben neben dem Tennis

Pütz ist inzwischen 36 Jahre alt, Krawietz 32. Beide sind Familienväter, das Sport- und Privatleben unter einen Hut zu bringen, ist herausfordernd, aber auch spannend. „Der Tagesablauf kann auch mal chaotisch sein, aber das bringt auch Spaß. Es ist nicht alles so perfekt getaktet“, sagt Pütz. Kurz gesagt: Das hessisch-fränkische Duo will sich nicht komplett vom Job das Leben diktieren lassen, sondern noch ein Leben neben dem Tennis leben.

Bei den Australian Open zu Jahresbeginn verbrachten sie die Turnierzeit in einer WG mit 14 Personen in einem großen Haus in Melbourne. Selbst der Trainer Lukas Wolff reiste mit Familie nach Down Under an. „Man geht irgendwann zur Anlage, macht seinen Job. Und kehrt dann wieder zum anderen, normalen Leben zurück“, sagt Pütz. Die Familie sei „einfach superwichtig“, gebe Halt und Sinn, sagt Krawietz. Er war im Januar 2023 zum ersten Mal Vater geworden, nannte die Geburt von Sohn Theo „das schönste Geschenk und Gefühl der Welt“.

Strapaziös sind die Tage im Tennisbetrieb aber dennoch. Abertausende Kilometer legen die Kompagnons zurück, reisen quer durch Zeitzonen und über die Kontinente. Nach dem US-Open-Finale ging es zuletzt in einem abenteuerlichen Trip ins chinesische Zhuhai – zum deutschen Davis-Cup-Team. In der Nationalmannschaft sind sie ein wichtiger Stützpfeiler, demnächst auch bei den finalen Knockout-Spielen in Malaga, die das Tennisjahr beschließen.

Zuerst aber gilt alle Konzentration dem Titelkampf in Turin, einem offenen Rennen der acht besten Pärchen der Spielzeit 2024. „Jeder kann hier jeden Tag gegen jeden gewinnen“, sagt Krawietz, der von 2019 bis 2021 drei Mal mit Ex-Partner Mies in der Vorrunde ausschied. Am Mittwoch könnten die Deutschen schon einen entscheidenden Schritt Richtung Halbfinale machen – gegen die Lokalmatadoren Simone Bolelli und Andrea Vavassori. Jüngst bei den US Open gewannen KraPütz im Achtelfinale dramatisch im Tiebreak des dritten Satzes gegen die Italiener.

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