Deutsches GEAS-Gesetz: Spielräume ausreizen
Abschieben noch vom Flughafen: Wie Deutschland die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems umsetzen will.

Ein zentraler Punkt des Entwurfs befasst sich mit den Grenzverfahren, die die Geas-Reform für alle Asylsuchenden vorsieht, die zum ersten Mal europäischen Boden betreten. In Deutschland betrifft das ausschließlich Menschen, die per Schiff oder Flugzeug einreisen. Bislang müssen sich nur Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten einem ähnlichen Verfahren unterziehen, wenn sie an Flughäfen einreisen. Und auch das nur, wenn sie falsche Angaben machen.
Künftig soll es alle Menschen treffen, die aus Staaten kommen, bei denen die Asylanerkennungsquote in Deutschland unter 20 Prozent liegt. Außerdem sollen auch Menschen, die in anderen EU-Staaten schon Schutz bekommen haben, diesen Verfahren unterworfen werden. Die Anträge all dieser Personengruppen sollen dann noch am Flughafen innerhalb weniger Wochen geprüft und entschieden werden. Währenddessen gelten sie als juristisch nicht eingereist, außerdem ist ihr Zugang zu Anwält*innen eingeschränkt. Wird ihr Antrag abgelehnt, sollen sie direkt aus dem Flughafen-Transitbereich abgeschoben werden.
Der Gesetzentwurf eröffnet den Behörden zudem die Möglichkeit, Geflüchtete de facto in Haft zu nehmen. Das Bundesinnenministerium zielt dabei offensichtlich auf die sogenannten Dublin-Fälle, also Geflüchtete, für deren Asylantrag eigentliche andere EU-Staaten zuständig sind. Schon jetzt gibt es für sie vereinzelt separate Unterkünfte, die sogenannten Dublin-Zentren, die aber bisher aber noch weitgehende Bewegungsfreiheit bieten. Mit dem neuen Gesetzentwurf könnten sich diese Zentren zu Haftlagern entwickeln, deren Bewohner*innen das Gelände nicht mehr verlassen dürfen.
Leistungsstreichungen
Auch an anderen Stellen zielt der Gesetzentwurf besonders auf die Dublin-Fälle. Schon bisher können diesen Personen die staatlichen Leistungen komplett gestrichen werden, um sie zur Ausreise zu bewegen. Das gilt auch für Personen in Deutschland, denen in einem Drittstaat bereits Asyl gewehrt wurde. Doch bislang gibt es dabei eine zusätzliche Bedingung: Die Ausreise muss rechtlich und tatsächlich möglich sein. Heißt also, dass der eigentlich zuständige Staat die Menschen wirklich wieder zurücknimmt. Genau diese Bedingung soll nun gestrichen werden, sodass Leistungskürzungen möglich werden. Für die Betroffenen hätte das zur Folge: Sie stecken in Deutschland fest, bekommen hier aber keine Leistungen mehr. Für sie gäbe es keinen Ausweg.
Schon die aktuelle Gesetzgebung, die Ende Oktober 2024 in Kraft trat, hatte dutzende Gerichtsverfahren zur Folge, die Betroffenen werten sich dagegen. Bei mindestens 50 Eilverfahren wurde der Leistungsausschluss wieder aufgehoben. Denn tatsächlich ist eine freiwillige Ausreise für Personen aus Drittstaaten nicht so einfach möglich. Eine solche Entscheidung fällte im Juni auch das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen und fügte an: Die Vereinbarkeit mit „Verfassungs- und Europarecht ist zweifelhaft“. Es sei fraglich, ob durch den Leistungsausschluss das Existenzminimum noch sichergestellt sei. Eine vollständige Prüfung war im Eilverfahren aber nicht möglich.
Den Leistungsausschluss kritisiert auch Lena Frerichs von der Gesellschaft für Freiheitsrechte. Es sei irritierend, dass Verwaltungen die Praxis weiter umsetzen, obwohl „wir mehr als 50 sozialgerichtliche Entscheidungen aus Eilverfahren haben“. Inwieweit die geplante Neuerung diese Probleme löst, steht nicht im Referentenentwurf des Innenministeriums.
Pro Asyl fordert in einer Stellungnahme, der Entwurf müsse „grundlegend überarbeitet werden“. Die Organisation bemängelt aber nicht nur den Inhalt des Entwurfs, sondern auch, dass den Verbänden nur sechs Tage Zeit gegeben wurde, um Stellung zu beziehen.
Offenbar soll das Bundeskabinett noch innerhalb der nächsten zwei Wochen einen Beschluss zu dem Vorhaben fassen. Nach der Sommerpause soll der beschlossene Entwurf dann in den Bundestag eingebracht werden.
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