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Deutscher Ethikrat vollständigAmpel besinnt sich auf die Ethik

Monatelang war der Deutsche Ethikrat nicht arbeitsfähig – weil die Ampelregierung keine Mitglieder benannte. Das hat sich jetzt geändert.

Wurde für eine zweite Amtszeit im Deutschen Ethikrat berufen: Josef Schuster Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Die Bundesregierung hat mit fast sechs Monaten Verspätung die neuen Mitglieder für den Deutschen Ethikrat ernannt. Dazu zählen der Informatiker Aldo Faisal, der Soziologe Armin Nassehi, der Jurist Hans-Georg Dederer, die Vorsitzende des Bundesverbands „Haus der Krebs-Selbsthilfe“ Hedy Kerek-Bodden, der Wirtschaftswissenschaftler Achim Wambach und die Medizinethikerin Eva Winkler.

Mehrere Mitglieder wurden zudem für eine zweite Amtszeit berufen, darunter Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, und die Biophysikerin Susanne Schreiber.

Das Gremium berät die Politik in gesellschaftspolitischen Fragen und erarbeitete beispielsweise während der Coronapandemie Kriterien für eine allgemeine und einrichtungsbezogene Impfpflicht.

Kurios bleibt, dass die Bundesregierung ihren Beschluss im Umlaufverfahren fasste. Diese Abstimmungsform nutzt man oft, wenn kein Diskussionsbedarf mehr besteht. Warum die Anträge der Ampelkoalition dennoch monatelang verzögert wurden, kommentierte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) nicht.

Zum ersten Mal in der Geschichte nicht arbeitsfähig

Man wollte, so die Sprecherin weiter, die Abstimmung so schnell wie möglich abschließen, damit der Deutsche Ethikrat „wieder voll handlungsfähig ist“. Das BMBF ist für die Erarbeitung und Abstimmung der Vorschläge der Bundesregierung zum Ethikrat zuständig.

Im Gespräch mit der taz hatte sich Judith Simon, Professorin für Ethik in der Informationstechnologie an der Universität Hamburg und Mitglied des Ethikrats, zuvor darüber geärgert, dass die Berufung der Mitglieder so lange dauere. „Wir verbliebenen Mitglieder übernehmen Funktionen im Ethikrat, können aber in der jetzigen Form nicht an neuen Themen arbeiten“, so Simon.

Zuvor herrschte monatelange Unklarheit. Seit April war die Amtszeit der bisherigen Mitglieder abgelaufen. Die Ampel-Koalition konnte sich monatelang nicht auf eine Neubesetzung einigen, weshalb auch die im Juni vom Bundestag gewählten Mitglieder ihre Arbeit nicht aufnehmen konnten. Damit bestand der Ethikrat zuletzt nur noch aus vier außerplanmäßig gewählten Mitgliedern – und war erstmals in seiner Geschichte nicht arbeitsfähig. In der Folge fanden seit Mai keine Sitzungen mehr statt.

Die insgesamt 26 Mitglieder des Ethikrates werden je zur Hälfte von der Bundesregierung und vom Bundestag vorgeschlagen und von der Bundestagspräsidentin für vier Jahre berufen. Die Amtszeit der Mitglieder beträgt maximal zwei Ratsperioden, also acht Jahre.

Ob die konstituierende Sitzung im November stattfindet und das Gremium ei­ne:n neu­e:n Vor­sit­zen­de:n wählt, ist noch unklar. Man freue sich, dass es nun endlich zeitnah weitergehe, heißt es aus Ethikrats-Kreisen. Damit das Expertengremium tatsächlich seine Arbeit aufnehmen kann, müssen die vorgeschlagenen Mitglieder noch von der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas ernannt werden. Eine offizielle Pressemitteilung will der Ethikrat erst dann herausgeben, sagte eine Sprecherin der taz.

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3 Kommentare

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  • Ich verstehe immer noch nicht, was der Sinn und vor allem der konkrete(!) Nutzen dieses Gremiums ist.

  • Nicht alle fühlen sich gleichermaßen gut vertreten, gehört oder gewertschätzt. Ein Zwischenruf, apostrophiert als "Ordnungsruf", aus dem Netz als Diskussionsgrundlage:



    2019 von Professor Wolf Schäfer, Hamburg



    "Bundesregierung und Bundestag (und indirekt auch der die Ratsmitglieder ernennende Bundestagspräsident) als politisch bestimmende Berufungsorgane sowie der Deutsche Ethikrat selbst mit seiner hohen Reputation sind gut beraten, durch eine überzeugende Berufungspolitik die ethical economics aktiv in den Rat zu integrieren, um seinem eigenen Anspruch, „unterschiedliche Ansätze und ein plurales Meinungsspektrum“ zu vertreten, gerecht zu werden."



    In der Einleitung hatte der Verfasser geschrieben:



    "Offensichtlich meinen die Berufungsinstanzen, dass Ökonomie und Ethik miteinander nichts zu tun hätten. Vielleicht überwiegt sogar die Ansicht, dass ökonomisches Räsonnement der eigentlichen, der hehren Ethik abträglich sei.



    Ein fundamentaler Irrtum, der in der bisherigen Berufungspolitik angesiedelt ist und damit einem Gremium wie dem Ethikrat keine genügend hohe Ehre zuteil werden lässt..."



    Quelle



    wirtschaftlichefreiheit.de



    In der Tat ist eine Tendenz zu speziellen Berufsgruppen da.

    • @Martin Rees:

      Es wird immer Professor:innen geben, die davon überzeugt sind, die bessere Wahl gewesen zu sein. Nach welchem Kriterium wäre Herr Schäfer zu bevorzugen gewesen, und vor wem? Und wer sagt, dass Ökonomie nichts mit Ethik zu tun hätte? Das ist ein Spannungsverhältnis wie zu jedem anderen gesellschaftlichen Bereich, deshalb gibt es ja den Ethikrat...