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Deutscher Erfolg bei der Darts-WMViel mehr geht nicht

Trotz des Scheiterns im WM-Halbfinale schreibt Gabriel Clemens deutsche Darts-Geschichte. Nun kann er sich in der Weltspitze etablieren.

Nicht weltmeisterlich: Gabriel Clemens (l.) wirft noch nicht so genau wie Michael Smith

Am Ende hat es nicht gereicht. Gabriel Clemens, „The German Giant“, hat zwar als erster Deutscher überhaupt das Halbfinale einer Darts-WM erreicht und in demselben noch den einen oder anderen deutschen Rekord aufgestellt. Aber das Halbfinale selbst war für ihn, bislang die Nummer 25 der Welt, Endstation. „Bully Boy“ Michael Smith, hernach zum dritten Mal Finalist einer Weltmeisterschaft, war einfach zu stark für den Deutschen, der immerhin im „Order of Merit“, der Weltrangliste, weit nach vorne gespült wird, nämlich bis auf Rang 19.

6:2 hieß es am Ende relativ deutlich für Smith; mithalten konnte Clemens nur bis zum 2:2. Woran lag es? Clemens, mit 39 Jahren sieben Jahre älter als Smith, schraubte sein ­grundsolides Spiel in diesem Halbfinale zwar noch einmal weiter nach oben. Der Unterschied zur absoluten Weltspitze zeigte sich aber in den „High Finishes“, von denen Smith nicht weniger als sechs warf. Clemens schaffte es hingegen nicht ein einziges Mal, einen Wert von 100 oder mehr auszuwerfen. Auch sein „average“, also sein durchschnittlicher Wurfwert, konnte nicht an den von Smith heranreichen.

Trotzdem bleibt die WM 2023 für den Saarländer ein voller Erfolg. So weit hatte es bislang noch kein Deutscher bei dem wichtigsten und prestigeträchtigsten aller Darts-Turniere geschafft. Der Clou war dabei natürlich der Sieg über den exzentrischen Weltranglistenersten Gerwyn Price aus Wales, der allerdings von sich selbst und anderen ziemlich überschätzt wird. Seinen Platz an der Sonne wird Price an den Weltmeister 2023 abgeben.

Unvergesslich bleiben wird sein Auftritt mit Schallschutzkopfhörern bei der verdienten 1:5-Niederlage gegen den saarländischen Sportler des Jahres 2020. Price ist bei den Fans im „Ally Pally“, dem Londoner Austragungsort Alexandra Palace, aufgrund seines Gebarens seit jeher nicht gut gelitten. Clemens dagegen versprühte stets eine angenehme, sympathische Aura. Die Wahl des Oasis-Songs „Wonderwall“ als Einlaufmusik trug das ihrige dazu bei, dass der „German Giant“ insgesamt gut ankam.

Top 4 auf anderem Niveau

Ob das Erreichen des Halbfinals für ihn die gläserne Decke bleibt, wird sich in diesem Jahr herausstellen müssen. Neben Schindler und vielleicht Hempel bildet Clemens die deutsche Pfeilspitze im Darts; um zu den Top 4 der Welt aufzuschließen, braucht es noch einen Schritt über das grundsolide Spiel hinaus. Michael Smith und Michael van Gerwen spielen da ein deutlich anderes Niveau. Möglich ist, sich mit den gestürzten Ex-Weltmeistern Price und Wright dauerhaft auf den folgenden Plätzen zu etablieren. Gabriel Clemens ist das durchaus zuzutrauen.

Für das deutsche Darts und den Spartensender Sport1 ist Clemens Erfolg natürlich ebenso einer. Einen Boris-Becker-Effekt wird es allerdings nicht geben, denn der Boom dieser Fernseh-, Konzentrations- und Präzisionssportart, die von der Kneipe in die großen Hallen fand, hat in Deutschland im Grunde eh schon nie geahnte Höhen erreicht. Mehr geht so schnell nicht.

Die Zeiten, in denen man aus dem Nichts Weltmeister werden kann wie zuletzt Rob Cross 2018, sind ebenso vorbei wie die, sich kontinuierlich nach oben zu steigern – es gibt unterhalb der Top 4 eine zu hohe Dichte an sehr guten Spielern, auch wenn Profis wie Stephen Bunting oder Dave Chisnall es diesmal nicht so weit gebracht haben wie Clemens. Der Saarländer wird wie Freund und Konkurrent Martin Schindler aber in jedem Fall dazugehören. Und das ist doch auch schon mal was.

Was jetzt nach dieser WM folgt, sind zahlreiche Turniere, wie sie in aller Undurchschaubarkeit hintereinander irgendwo stattfinden. Premier League, Masters, UK Open, you name them. Volle Hallen, viel Bier, viel Karneval, das Fernsehen meist live dabei, aber alles nicht von dem Niveau der WM im „Ally Pally“. Wir schalten dann zur Weihnachtszeit wieder ein. Alle Jahre wieder.

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