Deutschen Soldaten in der Ukraine: Noch ist es zu früh für eine Debatte über Friedenstruppen
Merz will von seinem Versagen ablenken. Nur deshalb redet er über eine mögliche Beteiligung an der Friedenssicherung zwischen der Ukraine und Russland.

N iemand weiß zur Zeit, ob es Donald Trump überhaupt gelingen wird, einen Friedensschluss mit der Ukraine zu vermitteln. Geschweige denn, was dann genau vereinbart wird. Muss die Ukraine Gebiete an Russland abtreten, welche Sicherheitsgarantien bekommt das Land – alles offene Fragen. Trotzdem preschen jetzt europäische Staaten vor, darunter Deutschland, und bieten an, eigene Soldaten in die Ukraine zu schicken.
Dabei ist völlig unklar, was denn der konkrete Auftrag für eine westliche Truppe wäre. Sollten deutsche Soldaten zur politischen Absicherung in die Ukraine geschickt werden? So wie in Litauen, wo die Bundeswehr im Rahmen der Bündnissolidarität stationiert ist, um klar zu machen, dass ein Angriff auf Litauen auch einer auf die ganze Nato ist? Dann könnte die Ukraine auch gleich in die Nato aufgenommen werden. Es ist wohl eher weniger wahrscheinlich, dass Putin sich bei einem Abkommen darauf einlassen würde.
Oder sollen westliche Soldaten an der – dann ja neuen – ukrainisch-russischen Grenze überwachen, ob die Waffen auch wirklich schweigen? Das werden sie kaum schaffen: Die Ukraine ist das größte Land Europas (Russland außen vor gelassen), seine bisherige Landgrenze zu Russland ist beinahe 2.000 Kilometer lang. Wie viele Soldaten hat die Bundeswehr denn dafür?
Was es für ein Aufwand ist, eine Bundeswehrbrigade samt Familien dauerhaft unterzubringen, kann man gerade in Litauen besichtigen. Übrigens: Deutschland misst von Sylt im Norden bis zum Allgäu im Süden 876 Kilometer. Nur um die Dimensionen mal klar zu machen.
Hauptsache, Trump kriegt seinen Nobelpreis
Doch es geht bei solchen Vorschlägen weniger um praktische Durchführbarkeit. Die Lage ist doch die: Der US-Präsident will raus aus der teuren Ukraine-Unterstützung und drängt auf irgendeinen Deal mit Putin. Egal welchen, Hauptsache, er kriegt den Friedensnobelpreis. Die europäischen Ukraine-Unterstützerländer haben da nichts zu melden.
Da sie aber doch irgendwie mitreden wollen, fordern sie zuerst einen Waffenstillstand, ohne den angeblich gar nichts geht. Wird Kanzler Merz dann, wie im Weißen Haus geschehen, von Trump rüde abgebügelt, dann fordern sie eben europäische Friedenstruppen.
Hauptsache, man hat irgendwas gesagt. Und muss sich nicht eingestehen, dass der bisherige Kurs an ein Ende gekommen ist, ohne dass das gesetzte Ziel erreicht wurde, die ganze Ukraine zu befreien. Europa hat es sträflich vernachlässigt, rechtzeitig eigene Friedensinitiativen vorzulegen. Jetzt wird es von den Ereignissen überrollt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Einwanderung und Extremismus
Offenheit, aber nicht für Intolerante
Nicht-binärer Geschlechtseintrag
Zweitpass gegen Diskriminierung auf Reisen
Verkehrswende in Paris
Blick in die Zukunft
CDU-Länderchefs gegen Bundestagsfraktion
Sexuelle Identität entzweit Union
Kein Exit für Nazis!
Angehörige fordern Ausschluss Zschäpes von Ausstiegsprojekt
Reaktionen zu Klöckners taz-Vergleich
„Medienpolitische Version der Hufeisentheorie“