Deutsche auf Gran Canaria: Die glücklosen Reiter
Im Urlaub auf Gran Canaria sind die Deutschen so, wie sie wirklich sind. Das fängt schon im Flugzeug an.
D er Volksmund sagt: „Wenn man die Deutschen nicht auf Gran Canaria erlebt hat, kennt man sie nicht!“ Ich sage: „Der Volksmund hat völlig recht!“ Deshalb beobachte ich die Passagiere während des Fluges nach Gran Canaria in der Maschine ganz genau, um die Verwandlung später auf der Insel deutlich registrieren zu können. Wie bei der Antifaltencreme-Werbung im Fernsehen: der Vorher-Nachher-Vergleich.
Wer von diesen Leuten wird die größte Veränderung durchmachen? Diese 50-jährigen Eheleute direkt neben mir vielleicht? Die sich bereits jetzt – das Flugzeug ist noch nicht mal gestartet – gegenseitig den Rücken mit Sonnenmilch einreiben? Unter ihren Pelzmänteln tragen die beiden nämlich nur noch Badehose und Bikini. Habe ich ein Glück, dass die beiden keinen FKK-Urlaub gebucht hatten.
Oder dieser junge Mann vor mir, der jetzt von der Stewardess zum dritten Mal ermahnt wird, die Luftmatratze doch erst in der Ankunftshalle aufzublasen?
Immerhin: Ganz hinten sitzen sechs Lehrer-Ehepaare und unterhalten sich angenehm leise über die Gründe des unglaublichen Lehrermangels in Deutschland und wer Schuld daran hätte. Ich versuche die Rückenlehne zu kippen, um ein paar Minuten zu schlafen. Aber keine Chance: Die seriöse Lehrergruppe entwickelt sich während des Fluges zu einem asozialen Säufertrupp.
„Hallo Schwester“, brüllt einer von ihnen in Richtung Stewardess. „Zwölfmal Jägermeister mit Cola für uns Schönen!“ Zum Glück kann der Pilot die Maschine ohne weitere Zwischenfälle in Las Palmas landen.
Leider ist Gran Canaria klein. Am nächsten Tag treffe ich sie am Strand – bei den Kamelen. Der trinkfesteste Lehrer des Säufertrupps, Hans, will unbedingt Kamel reiten. Aber das stolze Tier lässt sich auf keinen Fall überreden, den deutschen Touristen durch die Gegend zu schleppen.
„Herr Engin, nun helfen Sie mir doch mal. Als Orientale sind Sie doch gewissermaßen verwandt mit diesem blöden Tier“, bittet er mich um Hilfe.
Ich brülle dem sturen Kamel mein gesamtes Arabisch ins Ohr: „Ya Habibi el Deve el Kebap! Rafet el Roman, Jassir Arafat und Saddam!“
Aber nicht einmal meine grandiosen arabischen Sprachkenntnisse überzeugen das Kamel.
„Dann machen Sie doch wenigstens ein paar Fotos von uns“, ruft der glücklose Reiter.
Doch während ich Hans und seine Frau auf dem Kamel fotografiere, wirft es die beiden ab – und setzt sich direkt auf sie. Mit aller Kraft versuche ich, die beiden Touristen unter dem hinterhältigen Kamel hervorzuholen – gerade noch rechtzeitig, bevor sie den Löffel und das für 14 Tage reservierte All-inclusive-Hotelzimmer abgeben müssen, sind sie befreit.
„Toll! Jetzt können wir uns für mindestens zwei Jahre arbeitsunfähig schreiben lassen“, freut sich Hans.
Jetzt wissen wir, wer die Schuld am unglaublichen Lehrermangel in Deutschland trägt: die kanarischen Kamele!
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