Deutsche Wohnen & Co enteignen: Volksbegehren, jetzt aber richtig
Weil der Senat nicht vergesellschaftet, plant DW Enteignen einen Gesetzesvolksentscheid. Das Gesetz dafür soll binnen eines Jahres erarbeitet werden.
„Der schwarz-rote Senat hat deutlich gemacht, dass es mit ihm keine Umsetzung des Volksentscheids geben wird“, sagte Initiativen-Sprecherin Veza Clute-Simon im Gespräch mit der taz. Es sei deshalb „an der Zeit, die Dinge wieder selbst in die Hand zu nehmen und die von den Berliner:innen gewollte Vergesellschaftung mit einem Gesetzesvolksentscheid möglich zu machen“. 2021 hatte Deutsche Wohnen & Co enteignen kein eigenes Gesetz vorgelegt; stattdessen beinhaltete der Volksentscheid die Aufforderung an den Senat, die Vergesellschaftung in die Wege zu leiten.
Damals wäre es „nahezu unmöglich gewesen, ein Gesetz zu schreiben, dass vor obersten Gerichten bestand hat“, so Clute-Simon. Die Debatte um den noch nie angewendeten Vergesellschaftungsartikel 15 des Grundgesetzes habe „noch in den Kinderschuhen“ gesteckt. Heute sei man auch aufgrund der Arbeit der Expert:innenkommission viel weiter und traue sich zu, ein wasserdichtes Gesetz zu schreiben.
Die vom Senat eingesetzte Kommission unter Leitung der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) hatte ein Jahr lang die rechtlichen Möglichkeiten der Vergesellschaftung geprüft und im Juni ihren Abschlussbericht vorgestellt. Ergebnis: Der Vergesellschaftung steht grundsätzlich nichts im Weg. In diesem Sinne sei die „Verhinderungsstrategie des Senats nicht aufgegangen“, so Clute-Simon.
Schwarz-Rot blockiert
Finanzsenator Stefan Evers (CDU) hatte zuletzt „ausgeschlossen“, dass Berlin den Artikel 15 zur Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen anwenden wird. Vorgenommen hat sich der Senat dagegen ein Vergesellschaftungsrahmengesetz, das allgemeine Kriterien für die Überführung privaten Eigentums definieren soll. Für die Initiative steht hingegen fest: „Da sollen Dinge geregelt werden, die nicht erforderlich sind. Es ist ein reines Verschleppungsgesetz“, so Clute-Simon.
Deutsche Wohnen & Co enteignen will ihr Vergesellschaftungsgesetz in einem Jahr vorlegen. Beauftragen wird man dafür eine Rechtsanwaltskanzlei, die in Zusammenarbeit mit einem Expert:innengremium den Text ausarbeitet – finanziert durch ein Crowdfunding. Die Namen von Kanzlei und Expert:innen will man erst zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben.
Gegenüber der taz signalisierte der Wohnungsmarktexperte Andrej Holm Interesse an einer Mitarbeit. „Angesichts der katastrophalen Lage auf dem Wohnungsmarkt und der Unfähigkeit der aktuellen politischen Führung, dagegen etwas zu tun, werden sich viele daran beteiligen.“ Ein Gesetz einer Fachkanzlei, rückgekoppelt mit breiter Expertise aus der Stadt, sei dem Erabeitungsprozess von Senatsverwaltungen nicht unterlegen, so Holm.
Erste Stufe noch nächstes Jahr
Noch Ende des nächsten Jahres soll mit der ersten Stufe des Volksbegehrens begonnen werden, in der dann zunächst 20.000 gültige Unterschriften gesammelt werden müssen. Gelingt das, haben die Aktivist:innen den weiteren Lauf der Dinge nicht mehr selbst in der Hand. Dann hat der Senat fünf Monate Zeit, um das Gesetz zu prüfen, es entweder zu übernehmen, es ohne rechtliche Bedenken abzulehnen und damit den Weg für ein Volksbegehren freizumachen oder es dem Landesverfassungsgericht zur Prüfung vorzulegen.
Angesichts der ablehnenden Haltung von CDU und SPD ist diese Variante die wahrscheinlichste. Eine Prüfung durch das Gericht würde den Prozess um voraussichtlich mindestens ein Jahr, möglicherweise auch zwei verzögern. Erst wenn die Richter:innen zu einer positiven Prüfung gelangt sind, kann das richtige Volksbegehren, das schließlich in einem Entscheid münden soll, starten. Clute-Simon sagt: „Wir stellen uns auf einen Marathon ein.“
Den Senat will Deutsche Wohnen & Co enteignen mit der Ankündigung „nicht aus der Verantwortung entlassen“. Die Mieter:innen der Stadt bräuchten „Erleichterungen, die sofort greifen“. Gleichzeitig aber wolle man „nicht weiter hilflos dabei zuschauen, wie der Senat sich weigert, die immer schlimmer werdende Mietenkrise einzudämmen“, so Clute-Simon. Das beste Mittel gegen die Krise am Wohnungsmarkt bleibe die Vergesellschaftung: „Der jahrelange Prozess wird sich lohnen, wenn wir danach hunderttausende Wohnungen für die Ewigkeit in den Händen der Berliner:innen haben.“
Unterstützung für den Schritt kam von Grünen und Linken. Der Grünen-Landesvorsitzende Philmon Ghirmai bezeichnete den Schritt angesichts der „Verschleppungspolitik“ des Senats als nachvollziehbar: „Wir freuen uns darauf, uns in die Debatte um ein konkretes Vergesellschaftungsgesetz einzubringen.“ Linken-Chef Maximilian Schirmer sagte: „Der positive Kommissionsbericht wird im Regal von Kai Wegner einstauben, konkrete Maßnahmen zur Regulierung des Mietenmarkts wird es nicht geben.“ Die Linke stehe auf jeden Fall hinter dem neuen Anlauf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands