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Deutsche Waffenlieferungen an IsraelScholz macht sich mitschuldig

Julia Neumann
Kommentar von Julia Neumann

Während in Israel rechte Minister von der Besiedlung Gazas träumen, versichert Kanzler Scholz, weitere Waffen zu liefern. Dem Frieden hilft das nicht.

Verspricht Israel weitere Waffen: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag

T eile der israelischen Regierung wollen den Gazastreifen ethnisch säubern. Prominente Minister und Abgeordnete aus ihren Reihen haben bei einer erneuten Siedlerkonferenz am Montag keinen Hehl aus ihren genozidalen Ambitionen gemacht. Sie riefen dazu auf, die Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen aus dem Gebiet zu vertreiben und es neu zu besiedeln.

Außenministerin Baerbock bekennt sich immer wieder zu einer Zweistaatenlösung. Im März forderte sie, Israel müsse nach dem Ende des Krieges die Kontrolle über Gaza abgeben. Denn zu einer Zweistaatenlösung gehören nun mal: zwei autonome Staaten, Palästina und Israel. Meint sie ihre Forderung ernst, müsste die Bundesregierung jetzt Konsequenz zeigen.

Doch das Gegenteil passiert. Während die israelische Armee in Gaza und im Libanon Krankenhäuser bombardiert und Stellungen der UN-Mission Unifil angreift, genehmigt die Bundesregierung weitere Waffenexporte im Wert von rund 31 Millionen Euro. Und Kanzler Scholz versichert, es werde „weitere Lieferungen geben“.

Nicaragua hat Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt. Seit März zögert die Bundesregierung deshalb, Exportgenehmigungen für Munition und Ersatzteile für Panzer nach Israel zu erteilen.

Doch jetzt reicht dem Kanzleramt die bloße schriftliche Erklärung aus, dass diese Waffen völkerrechtskonform eingesetzt werden, damit die Lieferungen an das israelische Militär wieder fließen. Das ist irrwitzig.

Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant Israels – und sitzt damit an einem wirksamen Hebel, um den Druck auf Netanjahu zu erhöhen. Die Bundesregierung sollte sich endlich mit aller Kraft für einen Waffenstillstand und ein Geiselabkommen einsetzen. Ein Entwurf für ein Kriegsende liegt seit Wochen auf dem Tisch.

Die Bundesregierung sollte ihre Erlaubnis für Waffenlieferungen nach Israel zurückziehen und einen Exportstopp verhängen. Sonst läuft sie Gefahr, sich weiter an Kriegsverbrechen zu beteiligen.

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Julia Neumann
Korrespondentin Libanon
Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.
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7 Kommentare

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  • "...weitere Waffen zu liefern. Dem Frieden hilft das nicht. "



    Nichtliefern leider auch nicht.



    Nehmen wir doch absurderweise einmal an, Israel stellt alle Kampfhandlungen ein und zieht sich vollständig auf israelisches Gebiet zurück.



    Was würde passieren?

  • "Während in Israel rechte Minister von der Besiedlung Gazas träumen, ..

    Träumen dürfen sie ja.Wovon die gegnerische Seite,auch hier in Deutschland träumt,haben wir alle ein- und nachdrücklich am 07.10.23 gesehen.

    "Die Bundesregierung sollte ihre Erlaubnis für Waffenlieferungen nach Israel zurückziehen und einen Exportstopp verhängen."

    Außer den USA und uns steht niemand mehr an Israels Seite.Ich finde es richtig,dass wenigstens wir die jüdisch/israelische Kriegspartei unterstützen.Ungern,aber meiner Meinung nach immer wieder nötig,erinnere ich an die ca. 6 Millionen jüdischen Menschen,die durch uns ermordet,die vielen die vertrieben wurden und auch diejenigen,die nur noch in die Selbsttötung fliehen konnten.

    Und erneut,ich sehe die Gegenseite in der Verantwortung,durch zumindest die Freilassung der Geiseln (noch besser Waffenniederlegung in Gaza) den ersten Schritt zu ernsthaften Verhandlungen über Gazas Zukunft zu gehen.



    Ist denn von den vielen Kämpfern,ihren Unterstützern,Beamten und Politikern in Gaza keiner befähigt,vernünftige Entscheidungen zu treffen?Die Unterstützung der (fast?) gesamten Welt,auch Deutschlands,für den Wiederaufbau ist ihnen sicher.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Gerade jetzt, während es Israel hervorragend gut gelingt, die Kommandostrukturen der



    Hamas bzw. der Hisbollah zu vernichten, wäre es ein schlechter Schachzug, den Vormarsch zu stoppen.

    Wer „Cease-fire now!“ schreit, sollte nicht vergessen, dass es bis frühmorgens am 07. Oktober 2023 noch einen Waffenstillstand gab. Dieser wurde von der Hamas gebrochen. Anderentags trat die Hisbollah nach. Die Maßregelung des jüdischen Staates ist sehr suspekt und verrät eine Verkennung der Lektionen aus dem Zweiten Weltkrieg.

    Als die Alliierten 1944 erfolgreich in der Normandie landeten, hörten sie zum Glück auch nicht auf.

  • Danke für diese in deutschen Medien leider seltene Perspektive.

  • In der deutschen Debatte über Israel und Antisemitismus läuft derzeit eigentlich alles aus dem Ruder, was nur aus dem Ruder laufen kann.



    Hier die Denunziation linker antizionistischer jüdischer Gruppen als antisemitisch, verkennend, dass antizionistische und zionismuskritische Stimmen in der jüdischen Diaspora und in Israel selbst genau so ihren Platz haben wie zionistische. Und auch der Zionismus ist weiß Gott keine ideologisch und politisch homogene Bewegung.



    Auf der anderen Seite: wenn Deutschland und seine Regierung sich weltweit tatsächlich einer Unterstützung demokratischer und menschenrechtlicher Bestrebungen verpflichtet sehen, wie kann es dann faktisch eine israelische Regierung hofieren - noch dazu mit dem Argument der Staatsräson - die im eigenen Land offen einer Entdemokratisierung und einer völkisch-nationalen Staatsdoktrin das Wort redet? Man muss doch endlich mal realisieren, was aus dem Zionismus geworden ist, nicht bloß, was er eigentlich sein sollte.



    Deutsche Waffenlieferungen an Israel befördern ausschließlich diese unseligen Tendenzen, bemäntelt mit dem Pseudo-Argument, es gehe hier um die Existenz des jüdischen Staates.

  • 2024 wurden Rüstungsexporte an Israel in Höhe von 14,5 Millionen Euro genehmigt. Davon könnte sich Israel gerade mal 10% eines Eurofighters kaufen.

  • >Die Bundesregierung sollte ihre Erlaubnis für Waffenlieferungen nach Israel zurückziehen und einen Exportstopp verhängen. Sonst läuft sie Gefahr, sich weiter an Kriegsverbrechen zu beteiligen.<

    Das wissen die ganz genau und werden deswegen keine Waffen liefern. Die moralische Unterstützung ist aber schlimm genug.