Deutsche Soldaten in Litauen: Ankündigung mit Tücken
Verteidigungsminister Pistorius will 4.000 Soldat:innen dauerhaft in Litauen stationieren. Die Umsetzung wird dauern.
Nach rund eineinhalb Jahren Krieg zeigte sich an diesem Wochenende, wie schnell sich die Eskalationsspirale drehen kann. Mit dem abgebrochenen Wagner-Aufstand in Russland und der Ankündigung, dass der Chef der Söldner-Gruppe Prigoschin nach Belarus ins Exil gehen könnte, stieg die Nervosität – insbesondere in den baltischen Staaten. Die Hauptstadt Litauens, Vilnius, ist nur rund 50 Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt. So traf Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) mit seiner Ankündigung, rund 4.000 Soldat:innen in Litauen dauerhaft stationieren zu wollen, um die Nato-Ostflanke zu stärken, einen schmerzhaften Nerv der Zeit.
Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Bundestages, sprach von einem starken Signal an die Nato. „Für Litauen ist der Schritt eine sehr wichtige Perspektive, denn das Land ist durch die geografische Lage ganz anderen Herausforderungen im Bündnisgebiet der Nato ausgesetzt“, sagte Högl der taz.
Mit der Bereitschaft, eine „robuste Brigade“ aufzubauen, will Pistorius erfüllen, was die litauische Regierung seit Jahren fordert. Als Russland 2014 die Krim annektierte, gab es immer wieder Anfragen an die Nato, für mehr Schutz im Baltikum zu sorgen. Nach Angaben des Bundeswehrverbands trainieren derzeit 720 Soldat:innen der Bundeswehr bei der Enhanced Forward Presence (EFP)-Kampfgruppe in Rukla. Zweimal im Jahr werden die deutschen Einsatzkräfte ausgetauscht. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits vor einem Jahr zugesagt, dass das deutsche Truppenkontingent aufgestockt werden soll.
Eine höhere Abschreckungswirkung, mehr Einsatzbereitschaft und eine bessere Verteidigungsfähigkeit an der Ostflanke verspricht sich CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter von der Brigade in Litauen. Und: „Für Deutschland ist es indes die Chance, endlich Vertrauen zurückzugewinnen, das massiv verloren gegangen ist, durch die Blockadehaltung bei der Ukraine-Unterstützung, dem Nichteinhalten von Nato-Verpflichtungen und dem tiefen Misstrauen durch die fragwürdige deutsche Russlandpolitik der Vergangenheit“, so Kiesewetter gegenüber der taz.
Quasi-Geschenk für Nato
Die sicherheitspolitische Brisanz ist Pistorius klar, ebenso den Nato-Partnern. Generalsekretär Jens Stoltenberg begrüßte die Bereitschaft Deutschlands, die Truppe im Rahmen der „enhanced Vigilance“, also erhöhte Wachsamkeit in Litauen dauerhaft aufzustocken – quasi eine Art Geschenk rund zwei Wochen vor dem Nato-Gipfel in Vilnius. Von der Ankündigung bis zur Umsetzung ist es allerdings ein weiter Weg. Kasernen, Übungsplätze, Material: André Wüstner, Vorsitzender des Bundeswehrverbands, spricht von jeder Menge „Hausaufgaben“ für Verteidigungsministerium und Litauen.
Die Liegenschaften US-amerikanischer Streitkräfte in Deutschland – wie etwa die Coleman Barracks im baden-württembergischen Mannheim – könnten als Vorbild dienen. Solche Anlagen haben eine komplette Infrastruktur mit Einkaufsläden oder Sportanlagen. Auch die Wehrbeauftragte Högl geht davon aus, dass das ganze Vorhaben „nicht auf die Schnelle umgesetzt werden“ kann – und einiges an Geld kosten wird. „Freedom is not for free“, sagte Pistorius bei seinem Besuch in Vilnius am Montag. Bereits für den Verteidigungsetat 2024 müsste ein höherer Finanzbedarf angemeldet werden. „Fehlt dies, wird die Ankündigung als Luftbuchung enden“, so der Chef des Bundeswehrverbands Wüstner.
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