Deutsche Konzerne in Südamerika: Menschenrechte sind variabel
Laut einer Studie handeln deutsche Unternehmen in Südamerika mit in der EU verbotenen Pestiziden und kaufen Kupfer aus verseuchten Minen.
Die Forscher*innen des Öko-Instituts haben verschiedene Fälle untersucht, in denen deutsche Unternehmen zweifelhaften Handelsgeschäften in Übersee nachgehen. Kupferimporte für die deutsche Automobilindustrie etwa stammen demnach zu großen Teilen aus Peru und Chile, wo im Bergbau hochgiftige Schwermetalle eingesetzt werden. Die Grubenabwässer verseuchen die umliegenden Gewässer. Das verletze verschiedene von den Vereinten Nationen postulierte Menschenrechte wie das Recht auf sauberes Wasser, Gesundheit und angemessene Ernährung. Immer wieder gebe es auch Zwangsumsiedlungen und weitere Eingriffe.
Als problematisch bezeichnen die Autor*innen außerdem den Vertrieb hochgiftiger Schädlingsbekämpfungsmittel, die in der EU verboten sind. Europäische Agrarchemiekonzerne verkaufen in vielen Entwicklungsländern Pestizide, die die Welternährungsorganisation FAO und die Weltgesundheitsorganisation WHO als „Highly harzardous“ (kurz: HHP), also hochgefährlich, klassifizieren.
Laut taz-Recherchen gehören in der Tat mindestens 164 der 229 in Bolivien zugelassenen Ackergifte zu diesen HHPs. 105 sind in anderen Ländern verboten, davon 75 in der EU. Hierzu zählt beispielsweise das Bienengift Imidacloprid sowie das Herbizid Atrazin. Beides wird vom deutschen Chemiekonzern BASF hergestellt.
Auf Anfrage der taz erklärte BASF, ausschließlich Produkte zu vertreiben, die auch in mindestens einem OECD- bzw. „Hochregistrierungs“-Land zugelassen seien und zusätzlich zu den Anforderungen des Ziellandes auch die Prinzipien des „Internationalen Verhaltenskodex über Pestizidmanagement“ der FAO und der WHO erfüllten.
Das Unternehmen wich der Frage nach dem toxischen Risiko seiner in der EU verbotenen Pestizide allerdings aus und verwies darauf, dass das Produktportfolio immer „auf den regionalen Markt zugeschnitten“ werde. Teilweise handle es sich um Produkte für „Kulturpflanzen, die aufgrund klimatischer Bedingungen nicht in Deutschland angebaut“ werden.
Der jährliche Pestizideinsatz in Bolivien nimmt stark zu. In den vergangenen zehn Jahren hat er sich auf mehr als 40 Tonnen vervierfacht. Der sprunghafte Anstieg geht vor allem auf den Einsatz des umstrittenen Totalherbizids Glyphosat im Anbau genveränderter Sojabohnen zurück. Viele Kleinbauern sind finanziell von den Pestizidhändlern abhängig – oft kennen sie die Gefahren nicht, viele vergiften sich chronisch.
Krebsfälle nehmen zu, Nervenerkrankungen wie Parkinson ebenfalls. Auch hormonelle Störungen, schwere Missbildungen und Fehlgeburten sind Folgen des Herbizideinsatzes. Bolivien steht damit exemplarisch für viele Entwicklungsländer, in denen die Bevölkerung unter dem ausufernden Einsatz von Pflanzenvernichtungsmitteln leidet.
Öko-Institut fordert gesetzliche Regelungen
Die Autor*innen der Studie fordern die Unternehmen auf, Umwelt- und Menschenrechtsrisiken entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette – also von der Herstellung über die Nutzung bis zur Entsorgung ihrer Produkte – zu analysieren und dabei die Betroffenen miteinzubeziehen. Ziel sei die Entwicklung wirksamer Schutzmaßnahmen, wie etwa die Einrichtung von Beschwerdestellen.
Allerdings zeigten die untersuchten Fälle, „dass Unternehmen, solange sie selbst entscheiden dürfen, inwieweit sie Menschenrechte und Umweltfragen berücksichtigen, dies entweder nur teilweise oder gar nicht tun“, schreiben die Autoren der Studie. Freiwilligkeit reiche deshalb nicht, gesetzliche Regelungen seien notwendig.
Die Behörden müssten die Umsetzung kontrollieren und sanktionieren. Parallel dazu sei es aber auch sinnvoll, Geschädigten aus dem Ausland Zugangsmöglichkeiten zu deutschen und europäischen Gerichten zu verschaffen, damit sie Unternehmen auch auf Schadenersatz verklagen können.
Zudem fordert das Öko-Institut in seiner Studie, die Standards für die innereuropäische Zulassung und für zu exportierende Stoffe zu vereinheitlichen. Das heißt zusammengefasst: Produkte, die in der EU oder Deutschland verboten sind, weil sie Menschen oder Umwelt gefährden, sollen auch nicht exportiert werden dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen