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Importierter Hoffnungsträger

Die Bundesregierung legt einen Plan vor, wie der Bedarf an Wasserstoff künftig gedeckt werden kann. Dafür soll unter anderem ein großes Pipelinesystem geschaffen werden. Wirtschaftsverbände halten die Strategie für zu unkonkret

Von Anja Krüger

Die Bundesregierung erwartet, dass Deutschland in Zukunft nur einen kleinen Teil des Bedarfs an Wasserstoff selbst decken kann. Im Jahr 2030 werden zwischen 50 und 70 Prozent des benötigten Wasserstoffs aus dem Ausland eingeführt werden müssen. Danach wahrscheinlich noch mehr. Das geht aus der Wasserstoffimportstrategie hervor, die das Kabinett am Mittwoch verabschiedet hat.

Der Hintergrund: Wasserstoff ist ein wichtiger Hoffnungsträger für den klimaneutralen Umbau, vor allem von der Industrie. Wird Wasserstoff aus erneuerbaren Energien erzeugt, ist er klimaneutral und wird als „grün“ bezeichnet. Er soll fossile Energieträger etwa bei der Stahlproduktion oder in der Chemieindustrie ersetzen. Bis jetzt wird in Deutschland aber nur wenig Wasserstoff in kleinen Pilotprojekten erzeugt. Künftig sollen sogenannte Elektrolyseanlagen gebaut werden, die aus erneuerbaren Energien Wasserstoff erzeugen. Das Kabinett hat am Mittwoch auch Änderungen auf den Weg gebracht, durch die der Bau dieser Elektrolyseure einfacher wird. Die Bundesregierung rechnet aber nicht damit, dass die Produktionskapazitäten hierzulande reichen werden. „Ein Großteil des deutschen Wasserstoffbedarfs wird mittel- bis langfristig durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden müssen“, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Mit der Importstrategie schaffe die Regierung Investitionssicherheit für die Wasserstoffproduktion in Partnerländern, die deutsche Industrie und den Aufbau notwendiger Importinfrastruktur.

Ein großer Teil der Lieferungen soll über Pipelines kommen. Dazu sollen im Nordsee- und Ostseeraum, in Südeuropa und in Südwesteuropa große Leitungskorridore entstehen. Entlang dieser Strecken sollen Kooperationen mit den Anrainerstaaten aufgebaut werden. Teilweise können Erdgaspipelines umgewidmet werden. Das ist zum Beispiel bei der Leitung von Nordafrika über Italien nach Deutschland vorgesehen. Die ersten Lieferungen sollen aus dem Norden kommen. Bis Ende 2028 könnte die erste grenzüberschreitende Pipeline, die zwischen Deutschland und Dänemark geplant ist, in Betrieb gehen. Ab 2030 könnten Lieferungen aus Norwegen kommen.

Ist der Pipelinetransport nicht möglich, wird Wasserstoff vor Ort in sogenannte Derivate wie Ammoniak zerlegt und per Schiff transportiert. Die Bundesregierung hat mit einer ganzen Reihe von Ländern Lieferabkommen geschlossen, etwa mit Australien, Chile, Namibia, Saudi-Arabien, Südafrika und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dort kann Wasserstoff mit Hilfe von Solarkraft günstig hergestellt werden.

Wirtschaftsverbände begrüßten die Strategie, halten sie aber für zu unkonkret. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) moniert eine fehlende Priorisierung von Maßnahmen und Zielen. Die Strategie erscheine überfrachtet. „Aus Sicht des BDEW sollte sie sich auf ihr Kernziel fokussieren: in kurzer Zeit große Mengen Wasserstoff und Derivate zu möglichst wettbewerbsfähigen Preisen importieren zu können“, sagte BDEW-Chefin Kerstin Andreae.

Auf Kritik von Umweltverbänden stößt, dass Deutschland nicht nur grünen Wasserstoff importieren will. „Damit die Strategie einen wirklichen Beitrag für den Klimaschutz leisten kann, muss die Bundesregierung den Ausstieg aus fossilem Wasserstoff wie Erdgas verbindlich benennen und das Ziel von 100 Prozent grünem Wasserstoff klar definieren“, forderte Tobias Pforte-von Randow vom Deutschen Naturschutzring. „Dabei muss sichergestellt werden, dass grüner Wasserstoff beim Import immer Vorrang vor anderen Arten von Wasserstoff hat.“

Der WWF moniert, dass die Strategie keine konkreten Nachhaltigkeitskriterien für die Erzeugung des Wasserstoffs benennt. „Nachhaltigkeitskriterien müssen gemeinsam mit den relevanten Akteursgruppen aus Deutschland und den Partnerländern erarbeitet werden“, sagte Viviane Raddatz vom WWF Deutschland.