Deutsche Eishockey-Meisterschaft: Wie Fischtown rockt
Knapper könnte es im DEL-Finale nicht sein. 2:1 führen die Eisbären Berlin. Doch Bremerhaven macht die Serie weiterhin spannend.
Verloren haben sie, aber die Fischtown Pinguins aus Bremerhaven haben dennoch wieder Geschichte geschrieben! Ihr allererstes Halbfinale, dann direkt das Finale – und nun legten sie gemeinsam mit ihren Gegnern aus Berlin das längste Finalspiel der Deutschen Eishockey Liga (DEL) hin. Nach fast 100 Minuten Spielzeit schossen die Eisbären Berlin am Sonntag das Tor zum 2:1-Sieg und zur 2:1-Führung in der laufenden Best-of-Seven-Serie um die Meisterschaft.
„Berlin war in der ersten Overtime schon besser“, sagt ein Fischtown-Fan nach Abpfiff des Heimspiels in Bremerhaven. „Aber das sind für mich Helden. Dass die überhaupt so lange mit so einer Mannschaft mithalten können.“ So eine Mannschaft: Damit meint er die Eisbären, Rekordmeister aus der Hauptstadt, die ihren zehnten Titel holen wollen. Ihnen gegenüber stehen die Pinguins aus der Kleinstadt an der Nordsee.
Erst seit 2016 spielen sie in der DEL, haben den kleinsten Etat der Liga, sind bislang immer im Viertelfinale der Playoffs ausgeschieden. Doch dieses Jahr haben sie schon den Noch-Meister München rausgeworfen. Während der regulären Saison entschied Fischtown sogar drei der vier Partien gegen Berlin für sich, war am Ende Tabellenführer.
Die Inszenierung in der Eisarena Bremerhaven passt zur Geschichte des aufstrebenden Außenseiters, die Fischtown erzählen will: Zum Lied „Hoch im Norden“ werden vor Spielbeginn Zeitlupen-Aufnahmen von Spielszenen, vom Hafen der Stadt oder von der Eisarena gezeigt. Dann wird das Licht gedimmt, zu dramatischer Musik erscheinen historische Bilder mit einem jungen Alfred Prey, langjähriger Manager der Pinguins, der jetzt in seiner letzten Saison ist, und schließlich ein Pinguin, der – natürlich in Zeitlupe – aus dem Meer springt und übers Eis zu fliegen scheint.
Bremerhaven-Fan
Die Lautstärke ist meist ohrenbetäubend – außer nach dem 1:0 für Berlin im ersten Drittel. Das Spiel am Sonntag lebt vom Kampf, der Spannung. Qualitativ ist es wohl eher die schwächste Begegnung bislang. Im zweiten Drittel gelingt Bremerhaven der Ausgleich, benötigt dazu aber eine doppelte Überzahl. Nach drei Dritteln und einem Spielstand von 1:1 folgt die Verlängerung: Wer zuerst trifft, gewinnt.
„Dieses Jahr sind wir dran“
„Ihr könnt Geschichte schreiben“, dröhnt es aus den Lautsprechern. Beide Fanblöcke geben keinen Moment Ruhe, auch die restlichen Fans klatschen, schreien und stehen die meiste Zeit, obwohl vielen die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben steht – etwa vier Stunden nachdem sie die Eisarena betreten haben. Der Imbiss mit Wurst und Pommes hat längst zugemacht. Insgesamt schauen gut 4.500 Menschen zu.
Schon um 14 Uhr, eineinhalb Stunden vor Spielbeginn, stehen die Fans vor dem Eingang der Eisarena. Männer, Frauen, Jugendliche, Familien. „Fantastisch, total anders“, beschreibt eine Frau die Saison. Sie steht mit zwei anderen Erwachsenen zusammen, schon seit 15 Jahren sind die drei gebürtigen Bremerhavener dabei, haben Dauerkarten. „Man ist so euphorisch.“ Woran sie den Erfolg festmacht? „Es sind ja nicht mehr viele neue Spieler dazugekommen. Die sind eingespielt, kennen sich. Dieses Jahr sind wir dran.“
Das sehen auch einige Berliner Fans so. „Bremerhaven hat eine super Saison gespielt. Sie wären verdient Meister.“ Was trotzdem für Berlin spricht? „Die Erfahrung. Viel mehr wahrscheinlich nicht.“ Und die Atmosphäre, sagt ein Berliner Fan: „Das war super, die Stimmung, die Fans.“
Prügeln wie Kleinkinder
Super sind sie wirklich, die Fans, auch darin, Gegner und Schiris auszubuhen und anzuschreien. Auch die Spieler sind aggressiv, gerade gegen Ende gibt es einige Auseinandersetzungen. Eine handfeste Prügelei haben die beiden Teams bislang aber nicht aufs Eis gelegt. So eine gab es beim fünften Spiel der Playoff-Serie Berlin gegen Straubing: Während zwei Spieler mit Fäusten aufeinander einschlugen, spielte der Hallen-DJ das Intro von „Eye of the Tiger“, das Publikum johlte.
Eishockey: Das ist der Sport, in dem das irgendwie normal ist, wenn sich Spieler wie Kleinkinder prügeln und im Schwitzkasten halten, bis die Eltern, also die Schiris, sie wieder auseinanderklamüsern. Aber auch der Sport, bei dem man aufgrund des selbstverständlichen Tempos manchmal vergisst, dass sich das beeindruckend schnelle Spektakel auf Schlittschuhen abspielt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
Parteitag der CDU im Hochsauerlandkreis
Der Merz im Schafspelz