Deutsche Charme-Offensive für TTIP: „Nebelkerzen“ aus Berlin
TTIP-Gegner machen vor dem Besuch von Merkel und Gabriel in Brüssel mobil. Der Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament wird harsch kritisiert.
BRÜSSEL taz | Die deutsche Charme-Offensive für das Freihandelsabkommen TTIP geht in eine neue Runde. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) reisen am Mittwoch und Donnerstag nach Brüssel, um für TTIP und den besonders umstrittenen Investorenschutz (ISDS) zu werben. Doch in der EU-Hauptstadt schlägt ihnen zunehmend Misstrauen entgegen. Grüne und TTIP-Gegner werfen vor allem Gabriel vor, „Nebelkerzen“ zu werfen.
Der SPD-Chef ist vom TTIP-Kritiker zum glühenden Befürworter geworden und versucht nun, das Reizthema ISDS zu entschärfen. Zuletzt hatte er vorgeschlagen, die ISDS-Regeln im Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) zu ändern, das als Blaupause für TTIP gilt. Statt privater Schiedsgerichte brachte Gabriel die Schaffung eines internationalen Investitionsgerichtshofs ins Spiel.
„Ich denke, das ist eine Nebelkerze“, sagte nun Pia Eberhardt von der lobbykritischen Gruppe Corporate Europe Observatory. Die Schaffung eines neuen internationalen Gerichtshof brauche viel Zeit und könne nicht helfen, die Probleme bei Ceta oder TTIP zu lösen.
Vorbehalte haben auch Rechtsexperten, die sich zum Teil schon seit Jahren mit den geplanten Schiedsgerichten auseinandersetzen. Gabriels Vorschlag sei nicht mit ISDS vereinbar, sagte Rechtsprofessor Gus Van Harten aus Kanada. Zudem lasse es das Problem des „Ungleichgewichts“ ungelöst.
Gegen missliebige Umwelt- und Sozialgesetze klagen dürfen nämlich nur ausländische Investoren, inländische Firmen und Bürger hingegen bleiben außen vor.
Ähnliche Bedenken hat der britische Rechtsprofessor Harm Schepel. Sollte das TTIP-Abkommen wie geplant eine ISDS-Klausel enthalten, so müsse man mit einer Klagewelle gegen die Euro-Krisenstaaten rechnen, warnte er bei einer Veranstaltung der Grünen. Probleme sieht Schepel auch beim Kampf gegen Steuerflucht in der EU. US-Konzerne wie Appel oder Starbucks könnten Schadenersatz fordern, wenn die Steuervorteile wie geplant gestrichen werden.
Doch nicht nur Gabriel bläst der Wind ins Gesicht. Auch sein Parteifreund Bernd Lange muss sich warm anziehen. Die Grünen im Europaparlament werfen dem Chef des Handelsausschusses vor, nur halbherzig gegen ISDS vorzugehen.
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