Deutsche Banken mit zu wenig Eigenkapital: Commerzbank-Chef bleibt trotzig
Die Aktie der Commerzbank ist kaum noch etwas wert. Andere deutsche Banken geraten ebenfalls in Schieflage. Auch deshalb will die EU Bankenhilfen schmackhafter machen.
FRANKFURT/MAIN taz | Zuletzt gab es nur noch schlechte Nachrichten, und noch am Dienstag schmierte die Commerzbank-Aktie um 15 Prozent ab. Am Mittwoch stand Deutschlands drittgrößte Privatbank aber endlich wieder ganz oben: Das Lifestylemagazin Männer kürte sie auf Platz eins - im Wettbewerb um den Titel "schwulenfreundlichstes DAX-Unternehmen".
Branchenführer Deutsche Bank schaffte es nur auf Platz drei. Ob es allerdings der Spitzenplatzierung in diesem Ranking zu verdanken ist, dass der Kurs der Commerzbank am Mittwoch wieder anzog, fanden Analysten doch eher zweifelhaft.
Zeitgleich zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie verkündete der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Martin Blessing, dass sein Institut die Kapitalanforderungen der EU-Bankenaufsicht (EBA) "aus eigener Kraft" erfüllen könne und werde. "Im Moment" jedenfalls, so Blessing, gebe es keinen Grund dafür, an dieser von ihm schon früher gemachten Äußerung irgendetwas zurückzunehmen. Blessing: "Ich bin nicht bereit, mich auf Vorrat zu rasieren."
Für die vorangegangene Talfahrt der Aktie hatten Gerüchte gesorgt, nach denen der Commerzbank bald fünf Milliarden Euro statt der bislang schon prognostizierten 2,9 Milliarden Euro an Eigenkapital fehlen könnten, um auf die von der EBA geforderte Quote von neun Prozent zu kommen.
Materieller Ausgleich zu Lasten der Aktionäre
Zur Berechnung der Quote muss das Eigen- oder Kernkapital durch die Summe der Kundenkredite dividiert werden. Werte von unter sechs Prozent gelten als "bedenklich". Von Börsianern wurde denn auch befürchtet, dass sich die Commerzbank erneut Geld vom Staat zuschießen lassen muss, damit sie die neuen Anforderungen erfüllen kann.
Auf die europäischen Banken insgesamt sieht die EBA einen zusätzlichen Kapitalbedarf von geschätzten 160 Milliarden Euro zukommen. Kernkapitaldeckungslücken wiesen in Deutschland neben der Commerzbank auch die Deutsche Bank und wenigstens zwei Landesbanken (LBBW und NordLB) auf. Wohl auch deshalb will die EU es den Staaten jetzt erleichtern, Staatsgelder für klamme Banken lockerzumachen.
Wer seine Banken stützt, soll dafür bald einen materiellen Ausgleich bekommen - zu Lasten anderer Aktionäre, wie die Financial Times Deutschland aktuell berichtet. Gedacht sei etwa daran, Bankenunterstützerstaaten bei Kapitalerhöhungen durch Neuemissionen Rabatte auf die neuen Aktien einzuräumen. Fest steht jedenfalls jetzt schon: Das Beihilfeverbot der EU war gestern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana