Deutsche Bahn will besser werden: Immerhin der Presse-Zug ist pünktlich
Es soll mehr Züge, mehr Personal und mehr Investitionen geben. Aber den Preiskampf mit den Billigfliegern will Vorstandschef Lutz nicht aufnehmen.
Die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium haben an diesem Dienstagnachmittag JournalistInnen eingeladen, um über den wachsenden Ökostrom-Anteil bei der Bahn zu informieren. Für die Züge soll er von jetzt 53 Prozent auf 80 Prozent im Jahr 2030 steigen. Bahnchef Richard Lutz und Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) informieren über die Pläne bei der „rollenden Pressekonferenz“, bei der der Zug eine Runde über den Berliner Außenring fährt. Das haben sich die PR-Füchse in Konzern und Ministerium wohl ausgedacht, damit die Bahn zur Abwechselung mal gute Schlagzeilen bekommt. Zur Einstimmung der zweitägigen Klausurtagung des Aufsichtsrats, die an diesem Donnerstag beginnt, kann das nicht schaden. Der Vorstand will einen Plan absegnen lassen, wie die Bahn bis 2023 besser werden soll: mehr Züge, mehr Leute, mehr Investitionen. 5 Milliarden Euro will Bahnchef Lutz dafür von der Bundesregierung.
In Wagen 1 sind die Plätze 64 und 63 gegenüber dem Gepäckständer für den Minister und den Bahnchef reserviert. Die Gepäckständer bieten in den neuen ICE 4 mehr Platz, die Sitze sind etwas enger. Bis zum Jahresende sollen 25 Züge der neuen Modellreihe im Einsatz sein.
Die Bahn hat für die nächsten Jahre etliche neue Züge bestellt, der ICE 2 soll als Doppelstockzug auf die Schiene kommen. „Wir brauchen mehr Kapazitäten im Zug“, sagt Lutz. Er ist ein völlig anderer Managertyp als sein bärbeißiger Vorvorgänger Hartmut Mehdorn, der mit seinem harten Kürzungskurs und dem Blick auf den schließlich abgesagten Börsengang die Bahn heruntergewirtschaftet hat.
Hohe Preise bleiben
Scheuer und Lutz setzten sich nicht auf die reservierten Plätze, sondern geben vor dem Gepäckfach stehend ihre Statements ab. Minister und Bahnchef wissen um die große Unzufriedenheit mit der Bahn im Personen- und im Güterverkehr, den Verspätungen, Zugausfällen, überfüllten Zügen, schlechtem Service, fehlenden Kapazitäten. Sie versuchen nicht, das zu beschönigen. Von „Wachstumsschmerz“ spricht Lutz angesichts der stetig wachsenden Fahrgastzahlen und den Problemen. „Wir brauchen auf der Schiene einen Wow-Effekt und keinen Oh-No-Effekt“, sagt Scheuer.
Richard Lutz, Bahnchef
Um besser zu werden, will die Bahn mehr als 20.000 Leute einstellen. Zurzeit beschäftigt sie in Deutschland knapp 198.000. „Mir ist ein Mitarbeiter zu viel lieber als einer zu wenig“, sagt Lutz. Ein zentrales Problem wird die Bahn aber nicht angehen: die im Vergleich zum Fliegen viel zu hohen Preise. Lutz sieht keinen Anlass zu einer anderen Preispolitik – die Fahrgastzahlen steigen ja. Aber: Auch die Flughäfen verbuchen Rekordzuwächse an Passagieren.
Neue Ehrlichkeit
Doch davon abgesehen: An diesem Spätnachmittag hat Lutz das demonstriert, was der Bahnexperte des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland Philipp Kosok die „neue Ehrlichkeit des Vorstands“ nennt. „Lutz benennt die Probleme“, sagt Kosok. „Er setzt die richtigen Signale.“ Ob der Verkehrsminister die hört, sei aber nicht sicher.
Den Grünen sind die Pläne der Bahn nicht ehrgeizig genug – sowohl beim Strom als auch beim Angebot. Ab 2030 könnte die Bahn durchaus bereits mit 100 Prozent Ökostrom fahren statt mit nur 80 Prozent, findet der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter. „Es ist ein großer Fehler, dass der Bund als 100-prozentiger Eigentümer der Bahn sich überhaupt nicht einmischt“, sagt er. „Wir brauchen eine Verkehrswende, deren Herzstück die Bahn ist.“
Dazu müssten unter anderem Verbindungen und Anschlüsse besser und mehr Züge angeschafft werden. Außerdem sollte die Deutsche Bahn Nachtzüge wieder einführen und die Waggons arbeitsplatztauglich machen. „Es muss viel mehr investiert werden“, fordert Hofreiter. In Deutschland sieht der Staatshaushalt jedoch nur 50 bis 60 Euro pro BürgerIn für die Bahn vor, in Österreich sind es über 200 Euro und in der Schweiz über 300 Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Unterbringung und Versorgung
Geflüchtetenaufnahme belastet Kommunen weiterhin deutlich