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Deutsche Autobahnen sind zu vollWas tun gegen Stau?

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Der Stau auf deutschen Straßen ist so hoch wie nie zuvor. Was hilft dagegen? Zum Beispiel mehr Attraktivität fürs Bahnfahren.

Der Deutschen automobiler Lieblingsort, die Blechlawine auf der Autobahn. Den nur dort gilt „Freie fahrt für freie Bürger*innen“ Foto: Markus Scholz/dpa

W ahnsinn: 516.000 Staus hat der Verkehrsclub ADAC 2024 auf deutschen Autobahnen gezählt, 12.000 mehr als Vorjahr. Das ist eine gigantische Verschwendung von Lebenszeit. Die Staus dauerten 448.000 Stunden, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Und die Zahlen beziehen sich nur auf Autobahnen, die vielen Stillstände auf Landstraßen oder in Innenstädten sind nicht inbegriffen.

Grund für die Zunahme war das gestiegene Verkehrsaufkommen. Dass es nicht noch schlimmer gekommen und noch voller auf den Autobahnen geworden ist, ist laut ADAC dem Deutschlandticket zu verdanken. Denn auf das bundesweit geltende Nahverkehrsticket führt Deutschlands größte Autolobbyorganisation zurück, dass zu den werktäglichen Hauptverkehrszeiten die Staus nicht zugenommen haben. Daher warnt der ADAC davor, das mittlerweile 58 Euro teure Deutschlandticket abzuschaffen oder deutlich teurer zu machen. Das würde die Situation auf den Straßen weiter verschärfen.

Günstige Angebote bringen also tatsächlich etwas. Die Konsequenz kann nur sein, den öffentlichen Verkehr so günstig wie möglich zu machen und die Preise der Deutschen Bahn drastisch zu senken. Denn zu hohe Ticketpreise schrecken Interessierte verständlicherweise ab.

Carsharing und Pkw-Maut

Generell hilft nur eins gegen Staus: weniger Auto fahren. Oder den Wagen gleich abschaffen. Von Ausnahmen abgesehen kann sich hierzulande fast je­de:r durchaus ohne eigenen Pkw fortbewegen. Es gibt zum Beispiel die Möglichkeit des Carsharings. Das ist nicht nur billiger als ein eigener Pkw. Es hat auch den Vorteil, dass Leute das Auto bewusst nutzen – und nicht, um beispielsweise drei Minuten zum Supermarkt mit dem Auto statt mit dem Fahrrad zu fahren. Auch Fahrgemeinschaften würden die Straßen entlasten. Es gibt Apps, über die sich Pend­le­r:in­nen mit dem gleichen Weg zur Arbeit finden können. Aber viele Menschen misstrauen solchen privaten Angeboten. Die Länder oder Kommunalvereinigungen sollten ein öffentlich-rechtliches Projekt auflegen, ihre App bewerben und die Idee der Fahrgemeinschaften so voranbringen.

Und – bei aller Kritik an Zuverlässigkeit und Service – auch Bus und Bahn sind selbstverständlich eine Alternative. Nein, nicht nur in Großstädten. Wer vom Dorf mit dem Auto zur Arbeit in die Stadt fahren kann, kann mit dem Wagen den nächsten Bahnhof ansteuern und in die Bahn steigen. Ja, Züge müssten häufiger und pünktlicher fahren und mehr Sitzplätze haben. Aber es geht auch jetzt schon.

Auch mehr Baustellen und marode Brücken führen zu mehr Staus. Deutschland lässt die Infrastruktur verkommen, deshalb muss sie dauernd geflickt werden. Das muss sich dringend ändern. Mit einer Pkw-Maut für Autobahnen würden Nut­ze­r:in­nen einen Beitrag für eine vernünftige Instandhaltung leisten. Das wäre angemessen – und würde für weniger Staus sorgen. Das gilt ebenso für die einfachste aller Maßnahmen für einen flüssigen Verkehr: ein Tempolimit, auf Autobahnen 130 Stundenkilometer.

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Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
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2 Kommentare

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    Ich muss von meinem Dorf gar nicht mehr auf die Autobahn. Über 50% der Jobs sind Homeoffice fähig.

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    Wenn der Bürger Geld für Umweltschutz ausgeben soll, sind sich alle einig. Wenn der Staat für den Umweltschutz Geld ausgeben soll, passiert erst mal gar nichts.