Deutsch-polnische Grenze: Keine Kontrollen bitte!

Brandenburg fordert, an den Grenzübergängen stationäre Kontrollen einzuführen. Es würde die Region wie in der Corona-Pandemie in Agonie versetzen.

Zwei Polizisten an einer Brücke, im Hintergrund ein schwarz-rot-goldener Grenzpfahl

Erstmal gucken und noch nicht kontrollieren: Bundespolizei auf der Frankfurter Stadtbrücke Foto: picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Ist die Pandemie schon vergessen in Potsdam? Am Mittwoch ließ Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) wissen, dass er sich mit der erneuten Absage von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu stationären Grenzkontrollen an der Grenze zu Polen „nicht abfinden“ wolle. Die „Weigerung“ Faesers, Zurückweisungen von Migranten an der Grenze zu Polen zu ermöglichen, sei „enttäuschend“.

Drei Monate lang hatte Polen im ersten Pandemiejahr im Frühjahr 2020 die Grenzübergänge von und nach Deutschland dicht gemacht. Polnische Ärztinnen und Ärzte, die in den Kliniken in Schwedt oder Frankfurt (Oder) arbeiteten, kamen nicht mehr nach Hause, Lehrerinnen wurden von ihren Schülern getrennt, die Lieferketten der grenzüberschreitenden regionalen Wirtschaft waren gekappt.

Viel Wut hat sich damals aufgestaut über die Grenzschließung der nationalkonservativen Regierung. In zahlreichen Kundgebungen verschafften die Anwohner im polnischen Grenzland ihrem Ärger Luft. Es waren nicht die üblichen Akteure der deutsch-polnischen Verständigung, sondern jene, denen der Grenzübertritt zum täglichen Brot geworden war. Erstmals war in diesen Monaten deutlich geworden, dass da nicht mehr nur eine Grenze ist, sondern längst eine grenzüberschreitende Region entstanden war.

Alles vergessen? Natürlich sind die Grenzkontrollen, die Brandenburgs Innenminister fordert, keine Grenzschließung. Die zusammengewachsene Region würden sie dennoch blockieren. Wer die Zeit vor dem Schengen-Beitritt Polens vor Augen hat, erinnert sich an die stundenlangen Staus, etwa auf der Stadtbrücke zwischen Frankfurt und Słubice oder an der Autobahnbrücke in Świecko. Von einer Doppelstadt „ohne Grenzen“, mit der Frankfurt und Słubice werben, konnte keine Rede sein.

Nancy Faeser an der Grenze

Nach Świecko war am Dienstag auch Innenministerin Faeser gereist. Im ehemaligen Abfertigungsgebäude, in dem heute eine deutsch-polnische Polizeieinheit ihren Dienst verrichtet, traf sie sich mit dem stellvertretenden polnischen Innenminister Bartosz Grodecki. Im Anschluss bekräftigte Faeser, sie wolle vorerst keine stationären Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen Grenze. Um dem „wachsenden Migrationsdruck“ etwas entgegenzusetzen, sollten künftig aber generell mehr Polizisten im Einsatz sein, kündigte die Ministerin an.

Tatsächlich ist die illegale Einwanderung nach Deutschland in den vergangenen Monaten stark gestiegen. In Świecko versicherte Grodecki deshalb, die gemeinsame Zusammenarbeit intensivieren zu wollen. Auch von seiner Seite war von Grenzkontrollen keine Rede. Auf der anschließenden Pressekonferenz sagte Grodecki nach Angaben des staatlichen Fernsehens TVP, dass Deutschland und Polen den gestiegenen Migrationsdruck in Europa gemeinsam unter Kontrolle bekommen wollen. Dabei unterstrich Grodecki noch einmal die Rolle der offenen Grenzen im Schengen-Gebiet. Allerdings wollten Russland und Belarus das „Funktionieren des Schengen-Gebiets destabilisieren“.

Hat Polen also mehr aus der Zeit der Grenzschließung während der Corona-Pandemie gelernt? Einen gewissen Lernprozess zeigte nach dem Treffen in Świecko auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der noch vor einer Woche ebenfalls stationäre Grenzkontrollen gefordert hatte. Faesers Ankündigung für mehr Polizei an der deutsch-polnischen Grenze wertete Woidke nun als ersten richtigen Schritt.

Das letzte Wort ist freilich noch nicht gesprochen. Woidkes Innenminister Stüben erklärte, sein Ministerium habe „die Notifizierung der Grenzkontrollen auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz in zwei Wochen gesetzt“. Vielleicht sollte sich Stübgen noch einmal die Proteste während der Corona-Zeit oder die langen Schlangen vor dem Schengen-Beitritt Polens 2007 in Erinnerung rufen.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

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