Designerin über Wiederverwertung: „H&M kann man kaum upcyceln“
Kaum ein Konsumartikel ist schnelllebiger als die Klamotte. Junge Designer*innen arbeiten dagegen an, indem sie alte Kleidung wieder aufwerten.
taz: Frau Prantner, wer kommt in Ihr Atelier?
Lisa Prantner: Ganz querbeet, alte Leute, junge, Männer, Frauen aus ganz Deutschland, zum Teil aus Europa.
Und die bringen Ihnen drei alte Hosen, die sie nicht mehr tragen, und sagen, machen Sie mir daraus eine neue Jacke?
Kommt vor. Das Upcycling, also aus alten Sachen ganz neue zu entwerfen, das macht vielleicht 20 Prozent unseres Geschäfts aus. Viele bringen Lieblingsstücke ihrer Eltern oder Großeltern oder Erinnerungsstücke aus den 50er, 60er und 70er Jahren. Die wollen sie dann auf die heutige Zeit updaten lassen. Das lohnt sich auch, denn damals waren die Stoffqualitäten noch ganz andere als heute.
Inwiefern?
ist Designerin und Gründerin des Veränderungsateliers „Bis es mir vom Leibe fällt“.
Seit den Nullerjahren ist die Stoffqualität ganz schrecklich geworden. Die Stoffe werden billigst in Asien oder Afrika gemacht, die halten einfach nicht mehr. Kleidung aus solchen Stoffen, von Primark oder H&M zum Beispiel, die kann man kaum upcyceln, aus der kann man nichts Neues nähen, weil die Stoffe reißen. Die können wir höchstens in Workshops mit Schülern bedrucken. Wenn ich eine Upcycling-Kollektion mache, dann kaufe ich alte Pullis oder Herrenhosen in Secondhandshops, die sind besser.
Sind die Kunden aber auch bereit, reparierte oder aus alten Sachen geschneiderte neue Textilien angemessen zu bezahlen?
Zum 3. Mal haben die Stiftung Cum Ratione und die Entwicklungsorganisation Inkota den Preis „Die Spitze Nadel“ verliehen. Mit dem mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Preis wollen sie auf die sozialen und ökologischen Missstände in der globalen Bekleidungsindustrie aufmerksam machen und Aktionen und Initiativen dazu prämieren. Während der Berliner Fashion Week wurden „Spitze Nadeln“ an die Preisträger übergeben: Diese sind das Friedrich-von-Alberti-Gymnasium in Friedrichshall für ein Theaterstück und eine Schülerfirma, die auf die Missstände von „Fast Fashion“ aufmerksam machen. Die Kommunikationsdesignerin Tanja Hildebrandt, die ein Fake-Modelabel entworfen hat, um mit Kundinnen über Konsum ins Gespräch zu kommen. Und das Atelier und der Verein „Bis es mir vom Leibe fällt“. Die Werkstatt hat sich darauf spezialisiert, alte Kleidung zu retten, und bietet dazu Workshops an. In der Jury saßen unter anderem Bärbel Höhn (Grüne), Jürgen Maier (Forum Umwelt und Entwicklung), Kirsten Brodde (Greenpeace) und Heike Holdinghausen (taz).
Na ja, die ganze Beratungszeit wird nie bezahlt. Dafür gibt keiner Geld. Wir sind teuer, aber eigentlich noch immer zu billig.
Sie haben Ihr Atelier von der Bewegung Gemeinwohlökonomie editieren lassen. Was bringt Ihnen das?
Es bringt mir selbst etwas und meinen Mitarbeitern auch, es verleiht unserem Tun Sinn. Ich bin jetzt motiviert, mehr zu verdienen, damit ich höhere Löhne zahlen kann. Meine Angestellten verdienen ja sehr wenig. Und ich will genauer sein in meiner Lieferkette, meinen Stoffen, meinen Garnen. Ich will mich vernetzen, Kraft sammeln, andere von der Idee zu überzeugen. Außerdem haben wir als Gemeinwohlunternehmen vernetzt politisch mehr Schlagkraft.
Welche politische Forderung treibt Sie denn derzeit am meisten um?
Zum Beispiel ist es ein Skandal, dass Reparaturwerkstätten in Deutschland 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen. Würde der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent gelten, würde das den Werkstätten enorm helfen, viel mehr Leute würden Secondhand kaufen. Dann wäre es es nicht mehr viel teurer, etwas reparieren zu lassen, als es neu zu kaufen. Das wäre für die Regierung eine einfache Maßnahme. Sie redet doch immer über Kreislaufwirtschaft, ich verstehe nicht, dass sie das nicht umsetzt.
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