Derby HSV gegen Werder Bremen: Die Liga des alten weißen Mannes
Der HSV siegt in der zweiten Liga der Herren gegen Werder. Die Millennials feiern indessen Bayern gegen Bochum ab.
W ird jetzt alles wieder gut? Sind die Traumata von 2009, Stichwort Papierkugel, die drei bitteren Halbfinalspiele damals gegen den SV Werder, alle innerhalb von wenigen Wochen, alle unter dem Strich verloren, diese drei Spiele, die letztlich auch den langen Abstieg für die Hamburger eingeleitet haben, jetzt endlich getilgt? Führt der Weg für den armen HSV also endlich wieder nach oben? Nein, so weit würde ich nicht gehen.
Das erste Weser-Elbe-Derby in der Geschichte, das in Liga 2 stattfinden musste, ist an den HSV gegangen, einerseits verdient mit 2:0, andererseits hätte es mit anderen Schiri-Entscheidungen auch ganz anders ausgehen können. Das Spiel vom Samstag war eines, das Spitz auf Knopf stand und wo die etwas abgebrühtere Mannschaft erstaunlicherweise gewonnen hat. Und das sogar auswärts. Ein vielleicht Signale aussendendes, aber noch kein entscheidendes Spiel.
Die Saison ist nämlich noch jung, beim FC Schalke hat der HSV auch gewonnen und lag in der Tabelle trotzdem auf einem Mittelfeldrang vor diesem Samstag. Auch der SV Werder, zuletzt erfolgreicher unterwegs, wird sich schütteln und weitermachen können, entschieden ist noch lange nichts. Auch hat der HSV bekanntlich seine ersten Zweitliga-Derbys gegen den FC St. Pauli gewonnen und hinkt gegen den Rivalen aus der eigenen Stadt nun schon länger hinterher.
Insgesamt wird die alles entscheidende Frage sein, welcher der ehemaligen Großklubs – zählt man Schalke und vielleicht Nürnberg und Dresden noch dazu – es am Ende schaffen kann, ins Oberhaus zurückzukehren, und wer nicht. Und warum beziehungsweise warum nicht. Zählt der Zukauf, der zum Beispiel in Person von Mitchell Weiser erst sehr gut ist, dann bei der Regelerklärung von Freistößen geschlafen hat, also eine Söldnertruppe mit „Erfahrenen“, oder zählt die Kompaktheit, die mannschaftliche Geschlossenheit, die Mannschaften wie Fürth sogar ganz nach oben gebracht haben, auf Wiedersehen im nächsten Jahr?
Die Milennials bejubeln Bayern gegen Bochum
All diese Entscheidungen fallen über alle Spiele hinweg – und eben nicht nur in den vermeintlichen Klassikern. Während Werder und Schalke zurzeit zum Beispiel den Eindruck machen, als wären sie noch in der Findungsphase, die auch einmal mehrere Spielzeiten dauern kann, ist der HSV zumindest aktuell dabei, ein gutes Zweitligateam zu bauen, also endlich in der Realität angekommen zu sein und Geduld zu zeigen. Ob das am Ende aber tatsächlich reicht?
Das Topspiel des Fußball-Wochenendes war also ein Spiel aus der 2. Liga. Es fand am späten Samstagabend (20.30 Uhr, wo bleibt die Faninitiative gegen diese Uhrzeit?) vor prächtiger Kulisse statt und hatte alles zu bieten, was ein Topspiel bieten können muss: knifflige Schiedsrichterentscheidungen, einen Haufen ungenutzter Großchancen, ein umkämpftes Spiel zweier Mannschaften auf Augenhöhe, ansehnliche Taktikmanöver, wunderschön herausgespielte Tore. Mag sein, dass Liga 2 die Liga des alten, weißen Mannes ist, während die neoliberal abgebrühten Millennials sich über Bayerns 7:0 gegen den VfL Bochum (die waren ein Tor besser als Schalke letztes Jahr) freuen können, als ob es in den frühen Achtzigern (ja, Opa erzählt vom Krieg) nicht schon ähnliche Ergebnisse gegeben hat, als die Unterschiede zwischen oben und unten nämlich auch schon mal so riesig waren.
Bayern gegen Bochum, who cares. Was waren noch mal die anderen Partien? Wie gingen sie, gähn, aus? Die Liga des alten, weißen Mannes hat leider die besseren Klubs und bietet die höhere Spannung als das monetär schwindlig gepamperte Oberhaus. Auch wenn, oder vielleicht sogar gerade weil!, Jahn Regensburg dort an der Spitze steht. Ein Underdog führt die Tabelle an! Wann gab es das zuletzt in Liga 1? Nächste Woche steht gleich das nächste Spitzenspiel an. Da empfängt der HSV als Vierter den Zweiten aus Nürnberg.
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