Der unbekannte Gönner der CDU: Eine Spende, die gar keine ist
Im Rechenschaftsbericht der CDU erscheint die große Spende eines kleinen Unternehmens. Der Yoc AG, die für die CDU 2009 ein mobiles Internetportal erstellte.
Am vergangenen Wochenende hat die taz eine Datenbank mit allen Parteispenden ab 10.000 Euro veröffentlicht und die Leser aufgerufen, die Daten nach interessanten Anhaltspunkten zu durchforsten. Wer auf taz.de die Liste der größten Parteispender durchlas, stieß auf viele bekannte Namen.
Die CDU erhielt im Wahlkampf 2009 zum Beispiel Großspenden von der Deutschen Bank, von BMW, Dr. Oetker, Evonik, Bertelsmann, Allianz, Eon und Philip Morris. Doch die größte Unternehmensspende erhielt die Partei laut unserer Datenbank mit 284.000 Euro von der Yoc AG.
Yoc? Das im Jahr 2000 gegründete mittelständische Unternehmen gestaltet Mobilauftritte von Firmen-Webseiten und programmiert Apps für Smartphones. Laut dem im Unternehmensregister veröffentlichten Jahresabschluss hatte das Unternehmen im Jahr 2009 rund 100 Mitarbeiter und erwirtschaftete einen Jahresfehlbetrag von 831.116 Euro.
Das Werkzeug: Mehrere zehntausend Menschen haben in der ersten Woche unsere Artikel zum Parteispenden-Watch gelesen und in der Datenbank nach Parteispendern gesucht. Die taz hat alle Rechenschaftsberichte der Bundestagsparteien von 1994 bis 2009 ausgewertet und eine Datenbank mit den Parteispendern auf taz.de/parteispenden-watch veröffentlicht. Viele Blogger verwiesen auf die Datenbank oder machten sich selbst auf die Suche nach auffälligen Parteispenden
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Die Chance: Die taz ruft ihre Leser auf, die Daten zu durchforsten und uns vorzuschlagen, welchen Parteispenden wir nachgehen sollten. Wenn Sie etwas finden, mailen Sie es an open@taz.de oder schicken Sie einen Brief an die taz-Chefredaktion.
Wer nur die Daten sieht, fragt sich zwangsläufig: Warum spendet ein Unternehmen, welches das Geld selbst sehr gut gebrauchen könnte, so großzügig an eine Partei? Tatsächlich liegt der Fall allerdings etwas anders, erklärt der Yoc-Vorstandsvorsitzende Dirk Kraus: "Zum Bundestagswahlkampf 2009 haben wir für die CDU unter anderem ein mobiles Internetportal erstellt. Bei der Abrechnung unserer Leistungen haben wir der Partei einen Rabatt gewährt."
"Wir sehen die CDU als Kunden"
Diese und weitere interessante Geschichten lesen Sie in der sonntaz vom 25./26. Juni 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
Solch ein Rabatt ist im Geschäftsleben üblich – eine Partei muss ihn jedoch als Spende ausweisen. Schließlich hat hier ein Unternehmen eine Leistung erbracht und zum Wohl der Partei auf einen Teil des Geldes verzichtet, das ihm zugestanden hätte.
Die Beziehung zur CDU sei eine reine Geschäftsbeziehung, erklärt Kraus: "Wir sehen die CDU als Kunden und sind seit mehreren Jahren ihr Dienstleister. Wir setzen uns natürlich im Rahmen des jeweiligen Auftrages für die CDU ein, sind aber ansonsten als Unternehmen politisch neutral." Man habe mit dem Rabatt auch keinen Einfluss auf die Regierungspolitik nehmen wollen.
Aber wollte Yoc mit dem Rabatt die CDU selbst beeinflussen? Damit die Partei dem Unternehmen in Zukunft weitere Aufträge gibt? Das Parteiengesetz untersagt in Paragraf 25 "Spenden, die der Partei erkennbar in Erwartung oder als Gegenleistung eines bestimmten wirtschaftlichen oder politischen Vorteils gewährt werden". Ein Folgeauftrag von der CDU wäre ein wirtschaftlicher Vorteil für Yoc.
Doch so ist das im Parteiengesetz nicht gemeint, erklärt Martin Morlok, Jura-Professor an der Universität Düsseldorf und der renommierteste Parteienrechtler der Republik. "Das Parteiengesetz soll davor schützen, dass Unternehmen über eine Parteispende Einfluss auf den Staat nehmen."
Unzulässig wäre es also zum Beispiel, wenn die Yoc AG mit der Spende bezwecken wollte, dass der Bundestag per Gesetz den Mehrwertsteuersatz für Internetdienstleistungen senkt. Doch dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkt. Ein Rabatt zum Erhalt der Geschäftsbeziehungen zwischen einem Unternehmen und einer Partei ist "kein Problem", sagt Morlok.
Eine Kiesgrube in Hessen
Aber unsere Leser hatten nicht nur Großspenden im Blick, sondern durchsuchten die Datenbank auch nach lokalen Spendern. Ein Leser mailte uns: "Im Parteispendenwatch taucht in Langen (Hessen) eine von mehreren Spenden von Herrn Rudolf Sehring auf. Dieser ist scheinbar Chef eines Unternehmens, das in Langen gerne eine neue Kiesgrube aufmachen würde." Das ist umstritten, weil für die erweiterte Kiesgrube ein geschütztes Waldgebiet abgeholzt werden muss.
In dem 35.000-Einwohner-Ort ist das Thema umkämpft: Jeder zehnte Bürger unterschrieb ein Begehren zur Verhinderung des Vorhabens. Sehring zeigte sich großzügig. Die Rechenschaftsberichte verzeichnen Spenden in Höhe von 53.000 Euro zwischen 2006 und 2009. Die Stadt stimmte der Kiesgrube schließlich zu.
Allein: Sehrings Geld ging an die CDU. Der Bürgermeister von Langen wird von der SPD gestellt. Die Spende an eine andere Partei kann also gar nicht den Zweck gehabt haben, ihn zu beeinflussen.
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