Der sonntaz-Streit: Nackter Protest

Nackte Brüste an sich sind kein politisches Statement. Die Frauenrechtsgruppe Femen versucht mit allem Mitteln, eins daraus zu machen.

Femen demonstrieren auf einer Pariser Modenschau. Bild: ap

Sie kämpfen mit nackten Brüsten gegen das Patriarchat: Die Frauenrechtsgruppe Femen trat erstmals 2008 während der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine auf und protestierte gegen Sextourismus und Zuhälterei.

Barbusig schaffen sie es seither regelmäßig auf die Titelseiten von Zeitungen, mediale Aufmerksamkeit ist den Aktivistinnen sicher.

Doch Femen ist umstritten. Da sind ihre falschen historischen Vergleiche: Im Hamburger Rotlichtviertel traten Aktivistinnen mit Hitlergruß auf und verglichen Prostitution mit Faschismus. Auch ihre Organisationsstruktur wirft Fragen auf: Der Dokumentarfilm „Ukraine ist kein Bordell“ zeigt, dass viele Jahre ein Mann die feministische Gruppe lenkte.

Mal ein, zwei Gläschen Wein? Wir verharmlosen unseren Alkoholkonsum, warnen Drogenbeauftragte. Warum auch Sie Ihr Trinkverhalten vielleicht überdenken sollten, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 5./6. Oktober 2013 . Darin außerdem: Es ist nicht rassistisch, Differenzen zu benennen – sie zu verschweigen ist das Problem. Und: Der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit über Männer, Mythen und Gewalt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Sind Femen also eine neue feministische Avantgarde? Oder sind sie reaktionär?

Bitte kein Steinzeitfeminismus

„Ein nackter Busen macht noch kein liberales Weltbild“, schreibt die Historikerin Miriam Gebhardt im sonntaz-Streit. Sie wünscht sich zwar neue Impulse für den Feminismus, kritisiert aber, dass Femen mit ihren Aktionen andere Frauen umerziehen wolle. Das sei „Steinzeitfeminismus“.

Die Sprachwissenschaftlerin Reyhan Sahin, auch bekannt als Rapperin Lady Bitch Ray, hält dagegen und verteidigt insbesondere die deutsche Femen-Gruppe. „Reaktionär sind die Ansichten von Alice Schwarzer zum muslimischen Kopftuch.“

Auch Femen werden wegen ihren Positionen zu muslimischen Frauen kritisiert. Am „topless jihad day“ machte Femen auf die Unterdrückung der Frauen in muslimischen Gesellschaften aufmerksam und protestierte gegen das Kopftuch. Daraufhin gab es viel Kritik von muslimischen Frauen, die sich nicht bevormunden lassen wollen und die Gruppe „Muslim Women against Femen“ gründeten. Auch die Erziehungswissenschaftlerin Denise Bergold-Caldwell findet es problematisch, dass mehrheitlich weiße Europäerinnen anderen Frauen ihre Vorstellung von Freiheit und Emanzipation aufdrängen wollen.

Osteuropa ist für Frauen ein hartes Pflaster

Die Sozial- und Kulturanthropologin Alena Brunner richtet den Blick auf die Umstände, unter denen Femen entstand: In Westeuropa könne Femen als rückschrittlicher Feminismus der sechziger oder siebziger Jahre kritisiert werden. Doch in der Ukraine seien die Lebensumstände von Frauen vollkommen anders als in Westeuropa und die Protestform deshalb angemessen.

Taz-Leserin Carolin Münzel meint, dass Femen ihr Ziel bereits erreicht haben: „Schon die Tatsache, dass die taz ihre Leserinnen und Leser dazu auffordert, über Femen zu diskutieren, ist ein Beweis dafür.“ Jetzt müsse jedoch auch eine stärkere inhaltliche Auseinandersetzung folgen, „sonst bleiben sie nur Flitzer, die statt über Fußballplätze über die Bühne des Weltgeschehens huschen und an die sich bald niemand mehr erinnern kann.“

Die sonntaz-Frage in der aktuellen sonntaz von 5./6. Oktober beantworten außerdem Stevie Meriel Schmiedel, Gründerin von Pinkstinks, der Bewegungsforscher Dieter Rucht, die Politikwissenschaftlerin Natascha Nassir Shahnian, Irmingard Schewe-Gerigk, Vorsitzende von Terre des Femmes, Heike Walk, Geschäftsführerin des Berliner Instituts für Protestforschung und taz-Leser Martin Niewendick.

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