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Der sonntaz-Streit„Sie würden abhauen“

Udo Walz findet einen Leinenzwang für Hunde nicht schlecht – da sich manche Menschen vor ihnen fürchten. Seine zwei Hunde kennen es nicht anders.

Hunde brauchen Freilauf – oder etwa nicht? Bild: dpa

„Ein bisschen verhält es sich mit der Leine wie mit der Krawatte. Bei bestimmten Anlässen ist sie angemessen, ein genereller Zwang ist jedoch töricht“, schreibt Udo Kopernik, Presseprecher des Verbandes für das Deutsche Hundewesen, im aktuellen sonntaz-Streit. Gerade unter angeleinten Hunden komme es häufiger zu Konfrontationen als unter frei laufenden Tieren. Die Auslaufflächen, die es zum Ausgleich einer Leinenpflicht gibt, wären außerdem oft zu klein oder nur schwer zu erreichen.

Zu Konfrontationen kommt es bei den zwei Hunden von Udo Walz trotz Leine nicht, sie kennen es aber auch nicht anders. „Würde ich sie frei laufen lassen, würden sie bei der ersten läufigen Hündin, einem Hasen oder Vogel abhauen. Auch meine Haushälterin darf mit den Hunden nur an der Leine gehen, das ist sonst zu gefährlich für die beiden.“ Da es auch Menschen gebe, die Angst vor Hunden haben, fände Udo Walz eine Leinenpflicht nicht schlecht.

Auch die Journalistin Anne Fromm ist dafür, aber aus anderen Gründen. Sie berichtet im sonntaz-Streit aus eigener Erfahrung, dass es nicht nur für Hunde, sondern auch für Passanten sicherer ist, wenn die Tiere nicht frei herumlaufen. Ihr lief letztes Jahr ein Hund vor das Fahrrad: „Ich flog über den Lenker und landete auf dem Gesicht. Das Nächste, woran ich mich erinnere, sind ein aufgelöster Hundehalter und mehrere Passanten über mir.“ Ihr Arm war doppelt gebrochen und sie war einen Monat lang komplett handlungsunfähig.

taz am wochenende

Warum Anna Sievers' Kinderwunsch in Spanien erfüllt werden kann und nicht in Deutschland - und warum ein Arzt deshalb vor Gericht steht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 12./13. Oktober 2013 . Darin außerdem: Die Schriftstellerin Sibylle Berg über das Bett als Arbeitsplatz. Und: Leinenzwang für Hunde? Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Für den Berliner Senator für Verbraucherschutz, Thomas Heilmann, stehen genau diese Probleme im Vordergrund. Er denkt, dass Hunde auf Straßen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln grundsätzlich an der Leine zu führen sind, vor allem in einer Metropole wie Berlin: „Großstadt heißt, weniger Platz für den Einzelnen und mehr Rücksichtnahme für alle.“ Er würde sich zwar wünschen, dass das ohne eine gesetzliche Regelung machbar wäre. Die Erfahrung, die viele Bürger im Alltag machen, spricht jedoch dagegen.

Dr. Katrin Umlauf ist Leiterin des Tier-, Natur- und Jugendzentrums Weidefeld und hält eine Leinenpflicht nur in Einzelfällen, wie etwa in stark frequentierten Innenstadtbereichen oder in Brutgebieten, für akzeptabel. Eine generelle Leinenpflicht ohne Ausnahmen lehnt sie jedoch strikt ab: „Das ist als Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und die Tierschutz-Hundeverordnung zu werten.“ Sie erinnert daran, dass Freilauf für Hunde ein wesentlicher Bestandteil der artgerechten Haltung ist, durch die – was für diese Debatte essentiell sei – Verhaltensprobleme vermieden werden können.

Die sonntaz-Frage in der aktuellen sonntaz von 12./13. Oktober beantworten außerdem Birgitt Thiesmann, Heimtierexpertin beim Tierschutzverein Vier Pfoten, Gabriela Berg, Tierärztin und Mitglied der bayerischen Piratenpartei, Chibi, eine Chihuahua-Prager-Rattler-Mischung und taz-Leserin, Hundebesitzerin und Mitgründerin des Querverlages Ilona Bubeck.

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8 Kommentare

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  • K
    kommunist

    Diese ganze Leinenzwangdiskussion ist so unglaublich deutsch.

    Was will man denn noch alles bitte regulieren und verbieten? Der Punkt ist doch: Klar gibt es Leute, die eine Hundephobie haben, aber das ist, hart formuliert, deren Problem. Man kann nicht für die Bedürfnisse jedes Menschen neue Gesetze machen, das funktioniert halt nicht. Das gleiche gilt für Fahrradfahrer (bin Student und selber einer): Wenn ich Fahrradfahre ist mir klar, dass wenn ich Pech hab, ich mich hinlatz. Das kann auch wegen einer Bordsteinkante sein, oder wegen einem Hund. Es gibt halt nun mal auch einen Haufen Hunde, die gar keine Leine benötigen, und ich würd als Besitzer eines solchen Hundes echt auf dieses Gesetz scheißen. Unnötig.

  • H
    Hundetrainer

    @Bouleazero

    Ihr Hund zeigt ganz normales Hundeverhalten. Als erstes ein schöner sogenannter Beschwichtigungsbogen und dannach der Versuch einer klassisch olfaktorischen Kommunikation, also ganz normales Verhalten von Caniden.

    Ich empfehle JEDEM Hundebesitzer und denen die es werden wollen sich einen Hundetrainer zu suchen und sich über Kommunikation und Verhalten von Hunden zu informieren. Besseres Verständniss des gegenüber fördert die Kommunikation ( nicht nur zwischen Hund und Hundehalter ). Das Thema Leinenagression wäre dann auch geläufiger und Udo Walz könnte seinen Hunden artgerechten Freilauf geben.

  • G
    Gast

    Nicht der Leinenzwang, sondern das Halten von Hunden in der Stadt ist ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.

  • C
    carlafeli

    Ich finde, wo Menschen dicht aufeinander leben, sich bewegen, ihre Freizeit verbringen, also in Städten, in Parks, etc, gebietet die gegenseitige Rücksichtnahme unter Menschen dass Hundebesitzer verhindern, dass ihre Hunde andere Menschen durch beschnuppern belästigen oder erschrecken, indem sie ihnen hinterherlaufen, auf sie zustürmen, etc. Leider begegne ich selten Hundehaltern, die Ihren Hund soweit im Griff haben, dass dieser ohne Leine diese Dinge nicht tut. Daher bin ich in Städten und öffentlichen Parks grundsätzlich für Leinenzwang. Andererseits gebe ich Frau Umlauf auch recht, dass freier Auslauf zur artgerechten Haltung gehört. Alles andere ist Tierquälerei.

     

    Daraus ergibt sich für mich, dass Hundehaltung in der Stadt in einer kleinen Wohnung ohne Garten nicht erlaubt sein sollte.

     

    Einem Hund der genügend Auslauf im Garten oder auf dem Land hat, schadet es sicher nichts, wenn er in der Stadt dann an der Leine läuft.

  • M
    Meinhaarwehtimwind

    Kann man diesen Friseur nicht einmal an die Leine nehmen - was dieser Mensch zu verkünden hat,kann er seinen Kunden beim Haare schneiden erzählen.

  • H
    Hasso

    Die Leinenpflicht hilft nicht weiter. Wenn es die gibt, dann werden die Leinen halt 10 m lang. Und das auch an Stellen, wo eigentlich eine kurze Leine dringend notwendig wäre. Meine innerstädtische Joggingroute ist manchmal der reinste Hürdenlauf.

     

    Und selbst, wenn die Hunde an der kurzen Leine sind, ist das keine Garantie, dass dies auch hilft. Wir waren mal im Münchener Tierpark an einem schönen Sonntag unterwegs. Es war voll. Ein Paar mit einem Kampfhund an der kurzen Leine ist mitten durch die enge Menschenmasse im Tierpark gelaufen. Der Kampfhund hat sich für meine damals 3-jährige Tochter auf "Augenhöhe" interessiert. Den direkten Schnupperkontakt habe ich nur verhindern können, indem ich mein Knie zwischen Hund und meiner Tochter geschoben habe. Es waren noch ca. 30 cm zwischen der Nase vom Hund und der Nase meiner Tochter. Das war kein schönes Gefühl für meine Tochter und mein Knie. Der Halter hat davon übrigens nichts mitbekommen. In solchen Situationen wünscht man sich einen 1,80 m großen Hund, der auf diesen Hundehalter zuläuft, während im Hintergrund jemand ruft: "Der will nur spielen!"

     

    Versuchen Sie in solchen Situationen mal mit den Hundehaltern zu diskutieren. Das endet in der Regel in einem riesigen Geschrei.

     

    Nein, nicht die Leinenpflicht ist die Lösung. Was wir brauchen sind verantwortungsbewußte Hundehalter, die sich Gedanken machen, wie sich der Gegenüber in solchen Situationen fühlt. Und wenn mal was falsch läuft, wäre auch ein "Entschuldigung!" hilfreicher als eine massive Drohgebärde, eventuell sogar gestützt auf die Autorität des eigenen Tieres.

  • Sicherlich dürfen Hunde keine Gefahr für andere darstellen. Wo mit Verkehr zu rechnen ist, oder vielen anderen Spaziergängern, sollten sie deshalb vorsichtshalber an die Leine genommen werden. Allerdings brauchen viele Hunde auch Auslaufflächen, und diese sind in Städten eher knapp. In Parks sollte man solche Areale vorsehen, während es in ländlichen Gebieten kein Problem sein sollte, Hunde auf Spazierwegen frei laufen zu lassen. Der Hundehalter sollte allerdings jederzeit soviel Kontrolle über den Hund besitzen, dass er ihn innerhalb von Sekunden an die Leine nehmen kann.

    Was das Radfahren betrifft, muss ich allerdings sagen, dass man als Rad- oder Autofahrer sein Gefährt unter Kontrolle haben muss, um jederzeit vor plötzlich auftauchenden Hindernissen wie Kindern, Hunden und Wildschweinen anhalten zu können, in der Stadt wie im Wald.

    In eigener Sache, war ich heute morgen mit meiner grossen, ca. 40kg schweren Hündin im Feld unterwegs - natürlich ohne Leine. Begegnet sind uns zwei Radfahrer und später eine ältere Dame zu Fuss. Mein Hund hat reagiert wie immer, wenn Personen auf ihn zukommen: er tut so, als ob er ihnen ausweicht, aber kurz vor dem Aufeinandertreffen geht er direkt auf sie zu und folgt ihnen dann noch ein paar Schritte, um sie zu beschnuppern, bevor er sich umdreht und wieder mir hinterher läuft. Die Radfahrer haben abgebremst und die Dame hat den Hund am Kopf gestreichelt, schmunzelnd jeweils Muss man trotzdem Hunde immer an die Leine nehmen, wenn sie Menschen begegnen?

    • L
      leo
      @bouleazero:

      Das mit dem Abbremsen auf dem Rad funktionert halt leider nur wenn Du den Hund kommen siehst. In der Stadt ist soviel los auf den Straßen und Wegen, wenn da ein Hund von der Seite angeschossen kommt weil er eine Katze sieht oder einen Vogel fängt, hast Du/und der Hund keine Chance. So werden auch Hunde von Autos überfahren weil sie einfach ihren Jagdtrieb haben und blitzschnell völlig kopflos losrennen.