Der sonntaz-Streit: Sollen Freier bestraft werden?
Eine „Emma“-Kampagne fordert das Ende der Prostitution. In Schweden drohen Freiern Haftstrafen. Soll Deutschland sich ein Vorbild nehmen?
„Ächtung und, wenn nötig, auch Bestrafung der Freier; also der Frauenkäufer, ohne die dieser Menschenmarkt nicht existieren würde“, fordert die feministische Zeitschrift Emma. Sie hat einen „Appell gegen Prostitution“ veröffentlicht und damit eine öffentliche Debatte angestoßen. 90 Prominente haben ursprünglich unterzeichnet.
Mittlerweile haben sich über 2.000 Unterstützer eingefunden. Ziel ist es, Prostitution ganz abzuschaffen. Wie Sklaverei und Körperstrafen soll sie auf dem Müllhaufen der Geschichte landen. Oft werden Prostituierte zum Anschaffen gezwungen und werden zum Opfer von Gewalt und Ausbeutung.
Dass die Zurückdrängung der Prostitution und die Kriminalisierung der Freier die Lösung ist, sehen nicht alle so. Der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen hat als Antwort auf Emma einen „Appell für Prostitution“ veröffentlicht. Statt eine Abschaffung der Prostitution anzustreben, verteidigt der Berufsverband den Weg der gesellschaftlichen Anerkennung, der mit dem Prostitutionsgesetz 1999 in Deutschland eingeschlagen wurde.
Die Antworten auf den sonntaz-Streit lesen Sie am 9./19. November 2013 in der taz.am wochenende. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz
Dieses müsse auf Länderebene noch konsequenter umgesetzt werden. Verbrechen, die im Zusammenhang mit Prostitution begangen werden, seinen durch bestehende Gesetze schon ausreichend abgedeckt: „Gibt es keine Einwilligung zu sexuellen Handlungen, so handelt es sich nicht um Prostitution. Denn Sex gegen den Willen der Beteiligten ist Vergewaltigung.“
Für beide Appelle finden sich hochkarätige Unterstützer. Unter dem Banner von Alice Schwarzer versammeln sich vor allem Prominente wie die Schauspielerin Senta Berger, die Fernsehköchin Sarah Wiener oder Aktivistinnen von Femen Deutschland. Unter den Unterzeichnern des Gegenappells befinden sich viele, die beruflich mit dem Thema konfrontiert sind. Etwa Sonja Dolinsek vom Onlinemagazin menschenhandel heute oder Marianne Rademacher, die Frauenreferentin der Deutschen Aids-Hilfe, aber auch der Schauspieler Christian Ulmen.
Manifest der 343 Dreckskerle
Während hierzulande die Befürworter legaler Prostitution mit dem Wohlergehen der Prostituierten argumentieren, wird bei einer ähnlichen Debatte in Frankreich ein deutlich rauerer Ton angeschlagen. „Hände weg von meiner Hure“ fordert das „Manifest der 343 Dreckskerle“. Die Unterzeichner verteidigen darin ihr Recht auf käuflichen Sex.
Sie protestieren gegen ein geplantes Gesetzesvorhaben, das die Kunden von Prostituierten kriminalisiert. Die Zahl der Unterzeichner ist eine Anspielung auf die Liste jener 343 Frauen, die 1971 zugaben, illegal abgetrieben zu haben: eine gezielte Provokation der französischen Frauenbewegung.
Ein Gesetz, das es verbietet, für Sex zu bezahlen, aber die Prostituierten selber nicht illegalisiert, gibt es in Schweden seit 2002. Kritiker bemängeln, dass es dadurch nicht weniger Prostitution gibt, sondern das Rotlichmillieu nur in die Verborgenheit gedrängt werde. Damit entziehe es sich erst recht jedem regulierendem Zugriff zum Schutz der Prostituierten. Andere, wie etwa Kajsa Edis Ekram, die sich als Journalistin mit dem Thema befasst, finden die Strafen für Freier nicht rigoros genug.
Prostitution, eine barbarische Unsitte, von der wir uns verabschieden müssen? Ein notwendiges Übel? Oder ist sie gedeckt durch die Freiheitsrechte? Wie sehen Sie das?
Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 9./10. November. Der Kommentar sollte etwa 1.000 Zeichen umfassen und mit dem Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 6. November, eine Mail an: streit@taz.de
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