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Der sonntaz-Streit30-Stunden-Woche für Eltern?

Kommentar von Christian Fleige

ArbeitnehmerInnen wollen neue Arbeitszeitmodelle. Eltern sollen weniger arbeiten und mehr Zeit mit den Kindern verbringen.

Wer weniger arbeitet, hat mehr Zeit fürs Kind. Bild: dpa

V iele ArbeitnehmerInnen in Deutschland wünschen sich offenbar familienfreundlichere Arbeitszeiten. Laut einer Beschäftigtenbefragung der IG Metall liegt die 30-Stunden-Woche hoch im Kurs. Die größte Gewerkschaft Deutschlands will daraus zwar keine Forderung nach diesem Modell ableiten, ihr scheint das Bedürfnis nach weniger Arbeitszeit zugunsten der Familie aber nun klarer zu sein. Der stellvertretende Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, sagte in der "Welt": „Für unsere Kollegen wird das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Leben immer wichtiger“.

Die Rechnung zur 30-Stunden-Woche ist einfach: Mama und Papa arbeiten an vier Tagen der Woche siebeneinhalb Stunden, hätten jede Woche ein langes Wochenende und könnten sich so besser um die Kleinen kümmern. Da beide Eltern arbeiten würden, stimmt auch das Finanzielle: Zwei Vierfünftelstellen werfen mehr ab als eine Vollzeitstelle.

Viele ArbeitnehmerInnen wünschten sich dieses Szenario, weiß die Gewerkschaft, die 1984 für die 35-Stunden-Woche in einen sieben Wochen langen Streik trat. Sie blieb unnachgiebig und erreichte am Ende die Umsetzung ihres Anliegens. Seit 1995 gilt in der westdeutschen Metallindustrie die 35-Stunden-Woche. Nun sieht es so aus, als hätte die Gewerkschaft ein neues Ziel.

Zu Jahresbeginn hatte sich bereits die SPD-Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig für eine 32-Stunden-Woche ausgesprochen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. In Schwesigs Modell gleicht der Staat die durch Minderarbeit entstehenden Lohneinbußen aus: Eltern arbeiten weniger, bekommen jedoch das gleiche Gehalt.

So sollen vor allem mehr Frauen auf den Arbeitsmarkt gelangen. Gleichzeitig sollen Väter mehr Erziehungsverantwortung übernehmen und alte Rollenbilder aufgebrochen werden.

taz am wochenende

Die Antworten auf den sonntaz-Streit lesen Sie am 1./2. Februar 2014 in der taz.am wochenende. Mit großen Reportagen, spannenden Geschichten und den entscheidenden kleinen Nebensachen. Mit dem, was aus der Woche bleibt und dem, was in der nächsten kommt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich //www.taz.de/%21118468/:im praktischen Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

„Gutes Leben“

Die Bundesregierung folgte Schwesigs Arbeitsmarktutopie nicht und distanzierte sich von der 32-Stunden-Woche. Die Frage nach „Arbeitszeit und Familienzeit“ soll in der von der Regierung initiierten Initiative „Gutes Leben – Lebensqualität in Deutschland“ verhandelt werden.

Eine konkrete Maßnahme ist das im Koalitionsvertrag verankerte „Elterngeld Plus“. Die Verlängerung der Kindergeldzahlungen soll Eltern zugutekommen, die nach der Geburt des Kindes rasch wieder in Teilzeit arbeiten möchten. Außerdem soll der Wechsel von einer Teilzeit- zurück auf eine Vollzeitstelle gesetzlich geregelt werden. Die Eltern, die zeitweise für die Familie kürzer treten, sollen sich um ihre Rückkehr keine Sorgen machen müssen.

Eine Forderung nach einer 30-Stunden-Woche für Eltern würde über diese Pläne der Bundesregierung hinausgehen.

Könnten sich Unternehmen auf dieses neue Arbeitszeitmodell einstellen und davon profitieren? Oder sind die bereits in den Unternehmen getroffenen Regelungen ausreichend? Ist die Gleitzeit genauso familienfreundlich wie die 30-Stunden-Woche? Müssen sich Unternehmen noch mehr um familiäre Belange kümmern, um Spitzenkräfte an sich binden zu können? Muss gar die Bundesregierung gesetzlich regeln, dass Eltern weniger arbeiten?

Im sonntaz-Streit fragen wir deshalb: 30-Stunden-Woche für Eltern?

Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der sonntaz vom 1./2. Februar 2014. Der Kommentar sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Oder schicken Sie uns bis Mittwoch, 29. Januar, eine Mail an: streit@taz.de

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18 Kommentare

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  • Eine gute Sache für jede Familie.

     

    Man könnte noch weiter gehen, indem man von einer 40-Stunden-Arbeitswoche auf 30 runter geht. So könnte man eine Vollbeschäftigung erreichen, durch Füllung von frei werdenden Arbeitskapazitäten. Dann könnten alle Menschen in unserem Land mehr Zeit mit ihren Familien verbringen.

     

    Übrigens, dann wäre das Nettogehalt nicht proportional niedriger. Durch dadurch erreichte Vollbeschäftigung hätten wir alle mehr Netto vom Brutto, als jetzt.

  • WZ
    wieviel zeit brauchen eltern und kinder?!

    Hat der Autor Kinder?!

  • A
    Az

    Genau, wie wärs mal damit selbst Verantwortung zu übernehmen, wenn man Kinder in die Welt setzt?

     

    Aber nein, die sollen am besten ganztags abgeschoben werden, die Erziehung soll ne Kita/Schule übernehmen, am besten noch mit täglichen Exkursionen, Vollverpflegung usw.

    Das Ganze darf dann natürlich auch jemand anderes bezahlen...

  • Die Möglichkeiten der berufliche Freistellung der Eltern geht aus meiner Sicht weit am Kernproblem vorbei. Die Entwicklung unserer Gesellschaft hat bewirkt, dass sich Familienmitglieder entfremdet haben, indem diese wirtschaftlich und sozial voneinander unabhängig wurden. Was einmal Groß- und Urgroßeltern in der Kindererziehung leisteten, ist weitgehend verschwunden. Stattdessen springt der Staat ein und propagiert seinen Einfluss als den besseren. Eltern erklären sich mit Freude für unabhängig von ihren Eltern, obgleich die familiäre Abhängigkeit ein Garant für sozialen Frieden bedeutet, wenn man alle Eitelkeiten fallen ließe. Ein altes und bewährtes Prinzip des Generationsvertrages ist, dass junge, leistungsfähige Menschen ihre Eltern im Alter materiell aushalten, und die Gealterten die Enkelversorgung und haushälterische Aufgaben in berufl. Abwesenheit der Eltern erfüllten, wie es eben noch möglich war.

    Was heute geschieht, ist die Abschiebung der Alten als Rentner in die Bedeutungslosigkeit des TV-Konsums, Sudoku und Toscana-Urlaubs.

    Folge davon ist, dass Eltern sich heute beruflich und familiär abschinden, bis ihre Kinder groß sind, um danach genau den gleichen Anspruch auf einsame Ruhe zu erheben, weil diese ja auch alles allein hin bekommen mussten.

    Wo sind die Großeltern ? Wo die Eltern, die diese gern mit einspannen würden ? Warum ist der Emanzipationsdrang gegenüber den eigenen Eltern so gewachsen. Wieso glaubt man, dass wer Kinder in die Welt gesetzt hat, die familiäre Verantwortung für die Nachkommen zu Lebzeiten ablegen kann ?

    Erziehen kann nicht nur Mama und Papa, aber dafür dürfen diese ihre Kinder natürlich nicht als Besitz oder Vervollkommnung ihrer selbst ansehen.

    Die Gesellschaft ist nicht nur einmal gespalten, und das Traurigste daran ist die Spaltung der Familie und der Vertrauensverlust untereinander.

    • DG
      da gibt es wohl keine einfache lösung
      @lions:

      Meine Eltern sind leider emotional zu stark gewalttätig/faschistoid geprägt noch von ihren Eltern als dass ich ihnen gern meine Kinder anvertrauen würde. Die haben mir schon genug geschadet. Leider, leider kein Einzelfall wie ich von vielen Freunden weiß. Wird hoffentlich nicht alzu viele Generationen dauern bis das Verhälnis zwischen Eltern und Kindern und somit dann auch Großeltern sich bessert.

      • @da gibt es wohl keine einfache lösung:

        Ja, ist sicher eine langfristige Überlegung, aber vll. ist bei dem einem oder anderen ein Sinneswandel in seiner eigenen Lebensspanne noch möglich.

        Ich kenne auch einige, bei denen die Eltern die Abkehr von alten Erziehungsmethoden schafften.

  • DS
    die SPD sucht die goldene Ameise

    Falsch ! Es geht nicht um mehr zukünftige Arbeitnehmer (sprich mehr Kinder - ganz im Gegenteil - in einer globalisierten Welt kann Nachwuchs in anderen Ecken der Welt viel billiger aufgezogen werden ).

    Es geht um mehr Konkurrenz am Arbeitsmarkt und eine höhere Frauenerwerbstätigkeit, was natürlich die Löhne und Sozialkosten senkt und mehr unglückliche Konsumenten (Kinder, die in ihrer Kindheit zu wenig elterliche Zuwendung erfahren haben, kaufen sich mehr unsinniges Zeug.) Mütter arbeiten heute wesentlich weniger als 32 Stunden. Künftig sollen auch sie vollerwerbstätig sein.

    Ist im Grunde nichts dagegen einzuwenden, wenn die Eltern das altersgemäse Bedürfnis des Kindes nach Zuwendung berücksichtigen. Und hier ist der Zielkonflikt !!!!!!

     

    Wer nicht voll arbeitet , wird künftig zum Harz-Fall und bevormundet. (Es kann dann passieren, dass armen Familien die Kinder weggenommen werden. War wohl auch in der ehemaligen DDR so.)

     

    Die 32 Stundenwoche ist die Karotte, mit welcher der Esel gelockt wird das Mühlrad zu drehen.

     

    Sehens und hörenswert dazu die Steinmeier Rede vor dem Arbeitgeberverband 2013

     

    http://www.youtube.com/watch?v=c1OomcaIePc

     

    Hier wird deutlich, dass Familienpolitik ökonomisiert werden soll und zwar ganz im Sinne der Arbeitgeberschaft.

    • 4S
      40minuten steinmeier - da werd ich krank!
      @die SPD sucht die goldene Ameise:

      In welchen Minuten kommt die zentrale Aussage? Oder bitte ein Zitat nennen! Eine 40minütige Rede von Steinmeier kann ich ehrlich nicht ertragen !!!

  • G
    gast

    Sehr weit gedacht. Die Eltern freut es sicher mehr bei ihren Kindern sein zu können, doch wie wird dann später deren Rente aussehen ?????

    • WR
      welche rente?
      @gast:

      Glaubst du noch daran?

  • E
    emil

    wenn die politik eine reduzierung der arbeitszeit bei vollem lohnausgleich fordert sollten alle alarmglocken schrillen. der staat ist kein altruistisches soziales wesen, der möchte, dass alle die kinder haben zufriedener arbeiten gehen können. davon hat der staat nämlich wenig. viel mehr liegt der verdacht nahe, dass hier versucht wird, die produktion zukünftiger arbeiterInnen zu beschleunigen. denn die politik fürchtet sich davor, dass niemensch mehr da ist, der irgendwelche jobs macht. das kapital will aber weiter akkumuliert werden, ergo müssen neue arbeitskräfte her. damit das auch gelingen kann, ist es nur ein kleines übel, ein wenig produktivität der bereits arbeitenden bevölkerung abzuziehen - schließlich geht es um die zukünftige produktion! solange diese gebundenheit an eine elternschaft bleibt, halte ich das vorhaben für nicht befürwortbar. menschen die sich gegen nachwuchs entscheiden, oder schlicht reproduktionsunfähig sind, sollen weiter mehr arbeiten. es wirkt fast, als gäbe es ausser arbeiten und reproduktion gar nichts erstrebenswertes, das ist doch absurd.

  • B
    Bauer

    Meine Großtante sagte immer:

     

    We hämt damals Krabbelgruppe in Tuun mokt (Tuun=Acker, Feld, Garten).

     

    Mit anderen Worten, die Kinder wurden auf den Rücken gespannt und die Feldarbeit wurde erledigt.

    • EM
      einfach mal ausprobieren!
      @Bauer:

      Ja, ich habe schon viele "interessante Kommentare" von Vertragspartnern gehört bezüglich des Mitbringens von Kindern zur Arbeit - OBWOHL es vertraglich so abgesprochen und vereinbart war! Soviel zu Kinderfreundlichkeit und Akzeptanz.

  • Aus Sicht einer derjenigen, die sich täglich um 1-3 jährige Kinder kümmert die bis zu 10 Stunden täglich in der Einrichtung sind, stimme ich der 30 Stunden Woche zu. Neben den Eltern die Karriere und Familie unter einen Hut bekommen (wollen!), gibt es aber auch Eltern die mehrere Jobs machen müssen um sich selbst und ihren Kindern etwas bieten zu können. Oftmals fehlt es dann aber immernoch an Kraft, Nerven und vorallem auch an Zeit. Somit werden die Kinder weiterhin morgens um 7 Uhr in die Kita gegeben um ihnen zumindest ein paar weitere Plastik-Hello-Kittys und unbewegliche Spiderman-Figuren und sich selbst ne DVD ermöglichen zu können.

    Warum aber nicht mehr Zeit haben, nach der Arbeit noch ein Kaffee trinken gehen, Yoga machen, ein Buch lesen können und dann entspannt mit dem Nachwuchs Schlitten fahren, auf den Spielplatz oder daheim was leckeres kochen und trotzallem noch die Gewissheit haben über die Runden zu kommen?

    Nein! Die Mehrheit will sich mit Hello-Kittys, Spidermans und GZSZ zufrieden geben, ist froh um das was sie haben und gleichzeit haben sie auch Angst darum das zu verlieren was sie haben, wenn sie sich für ihr (hoffentlich baldiges) Recht, ihre Interessen und ein Privatleben einsetzen!

    Wenn die Arbeitnehmer/innen erst mal die Luft schnupppern von freien Tagen, weniger Arbeit und raus bekommen, dass die eigene Familie doch ganz nette Menschen sind, besteht natürlich die Gefahr, dass sie das für gut empfinden und womöglich noch mehr davon haben wollen. Das wissen Politik, Konzernbosse und all die Manager bisher ja ganz gut zu vermeiden...

    • GE
      gibt es für alle 30 stunden sinnvolle produktive arbeit?
      @Chava Johanna Schaller:

      Deshalb lieber die 20 Stunden Woche! Einfach 4 Tage zu 5 Stunden oder 5 Tage zu 4 Stunden. Also in der Summe eine ehemalige volle Stelle STATT 1,6 Stellen bzw. 60 Stunden zu zweit: "Mama und Papa arbeiten an vier Tagen der Woche siebeneinhalb Stunden, hätten jede Woche ein langes Wochenende und könnten sich so besser um die Kleinen kümmern. [sic, die sind dann "nur" 8 statt zehn Stunden in der Kita] Da beide Eltern arbeiten würden, stimmt auch das Finanzielle: Zwei Vierfünftelstellen werfen mehr ab als eine Vollzeitstelle."

  • DU
    der Uli

    damit 'Eltern' ein 30-Stunden-Job wird, müsste man ziemlich viel tun: Ganztagesbetreuung und Nachtkrippen, Krankenbetreuung und ...

     

    OK, das war ein gezieltes Missverstehen.

    Entlasten an alles Fronten wäre notwendig, nicht nur bei der Erwerbsarbeit.

    In Städten wären beaufsichtigte Spielplätze (auch gern ohne 'erzieherischen Anspruch' ein Beitrag, damit der Job 'Eltern' auch mal Pausen kennt. Nur als Beispiel.

    Aber ja, auch die Abwesenheitszeiten kann man verbessern - eine von vielen möglichen Maßnahmen in einem reichen Land. Man müsste nur wollen. Und zahlen

    • @der Uli:

      Wer Zeit mit seinen Kindern auf dem Spielplatz als "Job" ansieht und dies gerne an bezahlte Kräfte auslagern möchte, der sollte noch mal tief in sich gehen und darüber reflektieren, ob man nicht ein fragwürdiges Verhältnis zu seinen Kindern hat.

  • A
    Andreas

    Ist die Unter-Überschrift nicht falsch? Geht es im Artikel nicht vor allem um "ArbeitnehmerInnen"?