Der sonntaz-Streit: Muss Russland die WM abgeben?
Die nächste WM findet 2018 in Russland statt. Doch nach dem Flugzeugunglück in der Ostukraine fordern vor allem Politiker eine Neuvergabe.
Der Ball liegt nun in den Händen von Wladimir Putin. Nach dem Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien hat Fifa-Präsident Sepp Blatter dem russischen Staatschef feierlich einen Spielball überreicht. Ein symbolischer Akt, schließlich findet die WM 2018 in Russland statt. So zumindest der Plan. Als Austragungsort ist das Land aber vor allem eines: höchst umstritten.
Schon im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Sotschi riefen Politiker und NGOs weltweit zu einem Boykott der Wettkämpfe auf. Anlass war die Verabschiedung homophober Gesetze durch die russische Regierung im Jahr 2013. Im Hinblick auf die Fußball-WM 2018 wiederholt sich die Diskussion: Kann die Durchführung sportlicher Großereignisse einem Staat überlassen werden, der Bürgerrechte einschränkt und demokratische Standards missachtet?
Mit dem mutmaßlichen Abschuss von Flug MH17 durch prorussische Separatisten im Osten der Ukraine wurde die WM-Vergabe an Russland endgültig zum Politikum. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) etwa sagte der Bild-Zeitung, dass eine Fußball-WM in Russland unvorstellbar sei, wenn Wladimir Putin „nicht aktiv an der Aufklärung des Flugzeugabsturzes mitwirkt“.
„Die Vergabe der Fußball-WM an Russland war bereits vor der Ukraine-Krise fragwürdig“, sagt Marieluise Beck von den Grünen. Selbst der britische Vize-Premierminister Nick Clegg fordert eine Neuvergabe, während SPD-Chef Sigmar Gabriel gegenüber der Deuts chen Presse-Agentur den Zeitpunkt der Debatte anzweifelt: „Jetzt vier Jahre im Voraus eine Debatte über die nächste Fußball-Weltmeisterschaft zu führen, halte ich für nicht besonders klug.“
Dass Sport und Politik einander bedingende Diskurse sind: klar. Doch selten war dies deutlicher als im Fall der WM 2018. Michael Fuchs etwa, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, hält eine mögliche Neuvergabe der WM für weitaus effektiver als wirtschaftliche Sanktionen gegenüber Russland. Die russischen Grenzen nämlich seien viel zu durchlässig, um das Land von Importen abzuschneiden, wie er sich dem Handelsblatt Online gegenüber äußerte.
Noch vor dem Flugzeugunglück bekundete der russische Sportminister Witali Mutko in einer Pressekonferenz, dass er keinen Zusammenhang zwischen der Krise in der Ukraine und der Fußball-WM sehe. Auch die Fifa hält nach außen hin weitestgehend daran fest: Sport ist Sport und Politik ist Politik. Damit aber trennen sie, was längst nicht mehr zu trennen ist.
Muss die Fifa Russland die WM wegnehmen? Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der taz.am wochenende vom 02./03. August 2014. Ihr Statement sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit dem Namen, Alter, einem Foto, einer kurzen Info zu Ihrer Person und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de.
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