Der sonntaz-Streit: Sind Juden hier noch sicher?
Seit Wochen kommt es immer wieder zu Ausschreitungen auf propalästinensischen Demonstrationen. Einige Juden überlegen, Deutschland sofort zu verlassen.
W as sich in den vergangenen Wochen auf den Demonstrationen gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen abspielte, erinnerte manchmal an eine vergangen geglaubte Zeit: judenfeindliche Parolen wurden gerufen und Hetzplakate mit antisemitischen Slogans in die Luft gehalten.
Dieter Graumann, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, reagierte verständnislos auf die fehlende Unterstützung in der Zivilgesellschaft: „Warum gibt es keine Welle der Solidarität mit uns Juden angesichts der Welle von Antisemitismus?“, sagte er gegenüber der Rheinischen Post.
Nicht nur in Berlin spürte man die antisemitische Stimmung. In Frankreich gab es 18 Festnahmen in zwei Pariser Vororten: Synagogen waren attackiert und Autos angezündet worden. In Wuppertal wurde eine Synagoge angegriffen – mit mehreren Molotow-Cocktails.
Auch wenn die Polizei bestimmte judenfeindliche Parolen, die mehrfach auf Kundgebungen gerufen worden waren, verboten hat – die Stimmung bleibt angespannt. Jüdische Verbände fürchten um die Sicherheit ihrer Gemeindemitglieder im postmodernen Deutschland. Besorgte Anrufer erkundigen sich beim Zentralrat der Juden, ob es besser sei, sofort das Land zu verlassen. Leben Juden in Deutschland noch sicher?
Oder übertreiben die Stimmen, die von einer neuen Welle des Judenhasses sprechen? Beim diesjährigen Al-Quds-Tag in Berlin, der größten alljährlichen Kundgebung gegen Israel in Deutschland, kam es „nur“ zu drei Festnahmen - unter anderem aufgrund eines Plakats mit judenfeindlichen Parolen darauf. Gegen den Hetzredner Bilal Ismail, der in der Al-Nur-Moschee in Berlin Anhänger des Judentums beschimpft und bedroht hatte, wurden mittlerweile 15 Strafanzeigen eingereicht.
Während die Sorge vor einem neuen „islamischen Antisemitismus“ wächst, weist der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, die Vorwürfe zurück. Der überwiegende Teil der Menschen habe von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht und das seit Wochen andauernde israelische Bombardement verurteilt, sagte Mazyek in einem Interview. Es hätten sich „Radikale unter die Demonstranten gemischt“. Mazyek ist überzeugt: „Antisemitische Parolen und Judenhass haben in unseren Reihen nichts verloren.“
Was denken Sie? Sind Juden in Deutschland noch sicher? Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der taz.am wochenende vom 09./10. August 2014. Ihr Statement sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören