Der sonntaz-Streit: „Es ist höchste Zeit“
Netflix kommt. Das ist gut, findet der Schauspieler Dominic Raacke. Deutsches Fernsehen wird damit nicht besser, meint Produzent Marc Conrad.
Am 16. September soll der Video-on-Demand Anbieter Netflix auch in Deutschland starten. Das Streaming-Portal bietet seinen Kunden online eine Auswahl von Serien und Filmen an. Bei Netflix kann der Zuschauer selbst entscheiden, wann er was gucken will.
Doch anders als die Konkurrenz, wie etwa Maxdome oder Watchever, produziert Netflix Inhalte auch selbst. So zum Beispiel den mehrfach ausgezeichneten Polit-Thriller „House of Cards“, oder die Gefängnisserie „Orange is the new Black“. Kommt mit Netflix auch ein Stück amerikanische Serienkultur nach Deutschland. Verändert dies das deutsche Fernsehen? Diese Frage haben sich Experten und Künstler im aktuellen sonntaz-Streit gestellt. Netflix kommt: Wird das deutsche Fernsehen jetzt besser?
„Es ist höchste Zeit auch hierzulande intelligentes, witziges und aufregendes Fernsehen zu machen“, sagt Dominic Raacke. Der als Tatort-Kommissar bekannt gewordene Schauspieler ist selbst ein großer Fan amerikanischer Serien. „Netflix hat mit „House of Cards“ und „Orange is the new Black“ inspirierendes, mitreißendes Fernsehen geschaffen“, sagt Raacke, „wenn sie auf diesem Niveau auch deutsches Programm ermöglichen, könnte das der Weckruf werden, den die Fernsehlandschaft in Deutschland dringend braucht“.
Veraltete Strukturen stehen im Weg
Drohnen sind böse und töten auf Knopfdruck. Aber so ein Flugroboter kann auch gut und nützlich sein. In der taz.am wochenende vom 13./14. September 2014 lesen Sie, wie wir die Drohne lieben lernen. Außerdem: Ein Jahr nach Marcel Reich-Ranickis Tod spricht sein Sohn über den schweigsamen Vater und letzte Fragen am Sterbebett. Und: Kommende Woche stimmen die Schotten über die Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich ab. Unser Korrespondent hat das Land bereist, das zwischen "Yes" und "No" schwankt. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Der Moderator Philipp Walulis hingegen glaubt nicht, dass sich das Fernsehen verändern wird: „Das deutsche Hauptprogramm wird weiterhin 'Die 100.000 Playbackfeste der Volksmusik' und 'Das große Quiz der immer gleichen Promis' veranstalten“. Lediglich kleine Sender, glaubt Walulis, könnten sich von Netflix inspirieren lassen.
Auch der Regisseur Friedemann Fromm bezweifelt, dass das Fernsehen jetzt besser wird. Das Problem seien „veraltete Strukturen, die dem immer noch und immer wieder im Weg stehen“.
Marc Conrad, ehemaliger Programmplaner bei RTL und Produzent von Serien wie „Im Angesicht des Verbrechens“, glaubt nicht, dass es in Deutschland jemals eine so gut geschriebene Serie wie „House of Cards“ geben werde: „Gäbe es solche Autoren hierzulande - wir hätten sie längst entdeckt.“
Nicht besser, aber wenigstens anders
Eva-Maria Fahmüller, Leiterin der Drehbuch Masterschool in Berlin, widerspricht: „Deutsche Drehbuchautoren entwickeln längst Serien-Projekte mit gesellschaftlich relevanten Inhalten, horizontalen Strängen und ambivalenten Figuren. Auch Macher und Finanziers sind allmählich auf der Suche nach modernen Konzepten.“
Das deutsche Fernsehen „wird nicht besser, aber wenigstens anders“, sagt der Moderator Tilo Jung, der mit seinem Polit-Magazin „Jung und Naiv“ im Internet berühmt geworden ist. Netflix werde dazu beitragen, „dass sich Sehgewohnheiten noch schneller verändern: der gute, alte Programmplan wird endlich zu Grabe getragen. Content wird bereit gestellt und ist wann und wo auch immer abrufbar.“
Die Streitfrage der Woche beantworten außerdem Tom Wlaschiha, 41, Schauspieler bei „Game of Thrones“, Axel Schmitt, Redakteur beim Onlineportal serienjukies, Lutz Frühbrodt, Professor für Journalistik und der taz-Leser Jens Crueger – in der taz am wochenende vom 13./14. September 2014.
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