Der kommende Berliner Senat: Rot-Grün verteilt Fell des Bären
Die Wahl steht noch bevor, doch in den Hinterzimmern von SPD und Grünen hat bereits die Verteilung der Posten begonnen. Für einige wird es die Reise nach Jerusalem.
Drei Tage vor der Abgeordnetenhauswahl wird ein rot-grüner Senat immer wahrscheinlicher. Anders als 2006 mühen sich beide Parteien um Sachlichkeit. Bloß nicht provozieren, lautet die Devise der Grünen. Ein zweites Mal wollen sie nicht wegen angeblichen Postengeschachers vor die Tür gesetzt werden. SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller wiederum hat eine "Sehnsucht" in seiner Partei nach Rot-Grün ausgemacht. Da verwundert es kaum, dass die Gespräche über Posten im neuen Senat längst begonnen haben.
Volker Ratzmann sitzt der 1. Mai 2012 perspektivisch schon im Nacken. Bislang hielt sich der Fraktionsvorsitzende der Grünen am Rande der revolutionären Maidemo auf oder plauderte mit Polizisten, als in Prenzlauer Berg 2010 Neonazis demonstrieren wollten. Als sich Grüne und SPD-Abgeordnete damals zur Sitzblockade versammelten, hielt sich Ratzmann fern. Im neuen Senat könnte er für solch staatstragende Besonnenheit belohnt werden - als erster grüner Innensenator Berlins.
Ratzmann ist im Senat gesetzt. Falls Innensenator Ehrhart Körting (SPD) im Amt bleibt, um die Personalie des Polizeipräsidenten abzuschließen, könnte der Grüne die Wirtschaft übernehmen. Erst recht, wenn der zweite Kandidat für das Amt, Michael Müller, für die SPD in die Stadtentwicklung geht. Längst ärgert sich der starke Mann hinter Klaus Wowereit über die Amtsführung von Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), deren Tage im Senat gezählt sein dürften.
Die SPD hat im Senat neben Wowereit fünf Ressorts, die Linken drei. Sollten die Grünen am Sonntag nicht deutlich über 20 Prozent liegen, dürfte die Aufteilung bleiben. Neben Ratzmann ist derzeit vor allem die Tempelhof-Schöneberger Sozialstadträtin Sibyll Klotz im Gespräch. Sie wäre eine ideale Besetzung für das Amt der Senatorin für Arbeit, Soziales und Integration, heißt es intern. Das Schlüsselressort Bildung könnten die Grünen aus dem linken Parteiflügel besetzen. Monika Herrmann, Bildungsstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg, bleibt aber wohl lieber im Bezirksamt.
Als Nachfolger für den scheidenden Bildungssenator Jürgen Zöllner stünde auch Stefan Komoß (beide SPD) aus Marzahn-Hellersdorf bereit. Auch für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz gibt es in Daniel Buchholz einen aussichtsreichen SPD-Kandidaten. Der Umweltpolitiker hat zwar keine Erfahrung mit Gesundheitspolitik, er könnte aber endlich das Berliner Klimaschutzgesetz unter Dach und Fach bringen. Hierfür stünde mit Felicitas Kubala auch bei den Grünen eine versierte Politikerin zur Verfügung.
Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) galt als gesetzt. Der aber hat nicht immer den Rückhalt der SPD, ist abhängig von der schützenden Hand des Regierenden. Eine Alternative ist der ebenfalls schwerreiche Unternehmer und SPD-Schatzmeister Harald Christ.
Nicht aus der Hand geben die Sozialdemokraten Stadtentwicklung, Bauen und Verkehr. Falls Michael Müller die Wirtschaft übernimmt, könnte Engelbert Lüdke-Daldrup zum Zuge kommen. Der frühere Staatssekretär von Bauminister Wolfgang Tiefensee genießt einen hervorragenden Ruf. Setzt die Berliner SPD auf eine interne Lösung, stünde Staatssekretärin Hella Dunger-Löper bereit. Mit ihr hätten die Genossen aber das gleiche Problem wie mit Junge-Reyer: Dunger-Löper gilt als übervorsichtig und wenig überzeugend in der Außendarstellung.
Bleibt die Justiz: Amtsinhaberin Gisela von der Aue (SPD) hat wenig falsch gemacht, ihrer Weiterbeschäftigung steht nichts im Weg. Wenn sich die Grünen jedoch bei der A 100 durchsetzen und dafür auf ein Schlüsselressort verzichten müssen, kann sich Anwalt Volker Ratzmann den 1. Mai 2012 im Kalender anstreichen - als Justizsenator.
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