Der abgeschlossene Spielfilm: In vollen Zügen
■ Wir erzählen weiter, wo die Programm-Ankündigung endet. Heute: Lieb mich!
Kein Mensch hat heutzutage noch Zeit, einen Film zu gucken. Selbst Fernsehsüchtige kommen selten über die Programmankündigung hinaus. Wir schaffen jetzt Abhilfe. Und erzählen dort weiter, wo die Ankündigung aufhört. Den ganzen Film. Bis zum Ende.
Im Grunde ist Kathrins Leben in bester Ordnung. Sie hat alles, was sie sich wünscht: einen Mann, der sei liebt, und einen quirligen, gesunden Sohn im Grundschulalter. Der eigene Installationsbetrieb läuft schon recht gut. Die freien Abende verbringt sie mit Freundinnen im Schwimmclub. Plötzlich bringt Elena, Nickis neue Klassenlehrerin, Kathrins Leben völlig durcheinander. Die anfängliche Sympathie zwischen beiden Frauen wandelt sich bald zu vorsichtiger Verliebtheit und dann zu Liebe. Kathrin genießt die neue Form der Zweisamkeit in vollen Zügen. Das erste Mal im Leben macht sie, was sie will – wenn auch zunächst nur im Geheimen. Aber lange kann sie ihr Doppelelben nicht aufrechterhalten. Sowohl ihr Mann Peter als auch Elena fordern eine Entscheidung. Doch Kathrin will weder ihr Familienleben aufgeben noch auf Glücksmomente mit Elena verzichten.
Kathrin ist so verzweifelt, dass sie sich an einem freien Abend im Schwimmclub ertränken will. Doch das Becken ist leck – hatte ihr gut gehender Installationsbetrieb nicht erst kürzlich das Schwimmbad gewartet? – so dass alle Versuche, ihren Kummer zu ertränken, im fingertiefen Wasser zum Scheitern verurteilt sind.
Die Deutsche Bahn löst unerwartet Kathrins Problem. Deren Pläne, einen Großteil der InterRegio-Verbindungen zu streichen, lässt ihre Zweisamkeit mit Elena in vollen Zügen schon bald zum Martyrium werden. Die Waggons der verbliebenen Züge platzen unter dem Fahrgastansturm aus allen Nähten. Beim besten Willen gelingt es Kathrin und Elena nicht mehr, unter diesen verschärften Bedingungen noch zu machen, was sie wollen. Notgedrungen gehen sie zu 08/15-Sex in der muffigen Toilette des Zugabteils über. Glücksmomente werden selten. Kathrin stellt fest, dass Sex mit Elena nun frappierend dem gleicht, was sie mit Peter schon seit Jahren praktiziert. Der entscheidende Unterschied: Daheim verbrennt sie sich dabei nicht noch fortwährend den Hintern am Heißlufthandtrockner. Kathrins Liebe erlischt. Reumütig kehrt sie zu Peter und dem gemeinsam gesund gequirlten Sohn zurück. zott
Die Programmankündigung stammt von Radio Bremen für den Film „Lieb mich!“, zu sehen in der ARD am 16. August, 20.15 Uhr
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