Der Weg zum Job: Nur jeder Vierte wird Lehrling
Nach wie vor landet nur ein Bruchteil der Schulabgänger bis Klasse zehn in der dualen Berufsausbildung. Dabei bleiben Stellen offen.
In das viel gerühmte deutsche System der dualen Berufsausbildung im Betrieb und der Berufsschule gelangen Hamburger SchülerInnen nur im Ausnahmefall. Nach der jüngsten Zählung, die der Senat am Montag vorgestellt hat, haben nur 23 Prozent der SchulabgängerInnen bis zur zehnten Klasse eine Lehrstelle in einer Firma gefunden. Das ist mehr als im vergangenen Jahr, was aber auf einen Sondereffekt zurück zu führen sein könnte.
Weitere 15 Prozent landen in staatlich gemanagten Berufsausbildungen, der Rest dreht Vorbereitungsrunden. „Der Senat hat zwar eine Reform der beruflichen Bildung versprochen“, sagt Dora Heyenn, die Fraktionschefin der Linken in der Bürgerschaft, „aber Hamburg bleibt ein Warteschleifenland“.
Rabe in Rosa
Schulsenator Ties Rabe (SPD) hatte zuvor ein rosiges Bild gezeichnet: 2013 hätten alles in allem fast 39 Prozent der Schulabgänger bis Klasse zehn einen Ausbildungsplatz bekommen – 2012 dagegen nur 25 Prozent. Rabe schrieb diesen Erfolg der Jugendberufsagentur zu, deren sechste Filiale er am Montag in Wandsbek eröffnete.
Die Agentur, in der Institutionen von der Bildungsbehörde bis zur Agentur für Arbeit zusammenwirken, versucht, als Angebot aus einer Hand, den Jugendlichen den Übergang von der Schule in den Beruf zu erleichtern.
Um festzustellen, wo anzusetzen ist und ob das funktioniert, erfragt die Schulbehörde seit dem vergangenen Jahr, was die SchülerInnen nach dem Ende ihrer Schulzeit tun: Knapp 39 Prozent machten eine Berufsausbildung, 39 Prozent – etwa so viele wie 2012 – gingen in die duale Ausbildungsvorbereitung, eine Berufsschule mit Betriebspraktikum. Der Rest machte ein Freiwilliges Soziales Jahr, ging zum Bund oder ins Ausland.
Der Senat hat ermittelt, was die Schüler, die spätestens nach der mittleren Reife die Schule verließen, anschließend machten:
Abgänger: 2012 rund 5.300, 2013 gut 3.700.
Azubis: 2012 rund 1.300, 2013 rund 1.400. Davon in Betrieben: 2012 waren es 918, 2013 nur noch 868. Die übrigen Azubis machten eine außerbetriebliche Ausbildung, besuchten eine Berufsfachschule oder eine vom Staat bezahlte Ausbildung.
In die Ausbildungsvorbereitung gingen 2012 knapp 2.100 Jugendliche, 2013 nur noch knapp 1.500.
In der Jugendberufsbildungsagentur kooperieren die Schulbehörde, das Hamburger Institut für Berufliche Bildung, die Agentur für Arbeit, das Jobcenter und die Bezirksämter.
„Mit der Jugendberufsagentur hat Hamburg ein überzeugendes Konzept entwickelt, um junge Menschen verlässlich an der für sie entscheidenden Schnittstelle von der Schule in den Beruf zu unterstützen“, sagte Rabe.
2.000 Stellen unbesetzt
Aus Sicht der Linken lässt sich aus den Zahlen kein Erfolg der Agentur herauslesen. „Diese Verbesserung ist eine rein rechnerische, keine reale“, sagt Heyenn. Denn im Schuljahr 2011 / 12 gab es noch AbgängerInnen aus den neunten und zehnten Klassen, 2012 / 13 nur noch aus den zehnten Klassen.
Die Zahl der AbgängerInnen sank daher um 30 Prozent. Weil die Zahl der Lehrlinge nur geringfügig zurückging, stieg ihr prozentualer Anteil unter den Schulabgängern.
In absoluten Zahlen weniger Lehrlinge – und das, obwohl die Wirtschaft einen Überhang von 2.000 offenen Stellen meldete? Schulsenator Rabe erklärte das wie die Handwerks und die Handelskammer damit, dass die Wünsche der Bewerber nicht mit denen der Wirtschaft zusammen passten.
Heyenns Mitarbeiter Kai Beiderwieden vermutet dagegen, dass die Betriebe tendenziell lieber einfache Ausbildungen anböten wie im Friseurgewerbe und im Einzelhandel, wo die Azubis schnell mitarbeiten könnten, aufwendige Ausbildungen aber scheuten.
Ganz im Gegensatz zu den Kammern plädiert die Linke dafür, die Berufsausbildung in Schulen zu verlagern, wie es bei der Altenpflege schon der Fall ist. „Der Staat muss endlich für mehr Ausbildungsplätze sorgen“, findet Heyenn.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
Berliner Kurator verurteilt
Er verbreitete Hass-Collagen nach dem 7. Oktober