Der Wahlkampf in den USA wird früher entschieden als je zuvor: Die Neuen kommen unaufhaltsam
Noch früher als gewöhnlich ist der Präsidentschaftswahlkampf in den USA ausgebrochen. Mehr als ein Jahr wird noch vergehen, bis William Jefferson Clinton das Weiße Haus hinter sich lassen wird – und sich vielleicht als First Husband der Senatorin Hillary Clinton mit einer Nebenrolle begnügen darf.
Noch früher als gewöhnlich wird der Kampf um die Nominierung der Republikaner und Demokraten diesmal auch entschieden sein – noch nicht nach den Abstimmungen in Iowa und New Hampshire, wahrscheinlich jedoch nach dem „Super Tuesday“ am 7. März – und sicher eine Woche darauf, wenn in weiteren sechs Bundesstaaten die Vorwahlen sind.
Die Parteien selbst haben die Termine so dicht und so früh gelegt, Überraschungen sollen im Keim erstickt werden. George W. Bush hat 63 Millionen Dollar für einen beispiellosen TV-Blitzkrieg gesammelt, und Vizepräsident Al Gore hat vom Weißen Haus aus den Parteiapparat für seine Kandidatur eingespannt. Und doch sind ihnen überraschend starke Gegner erwachsen: Senator John McCain hat die politische Unbedarftheit Bushs attackiert und dessen Siegesgewissheit angekratzt und der ehemalige Senator Bill Bradley die Zweifel an Al Gores Distanz zu den Clintonschen Kabalen genährt.
Neue Gesichter werden ab Januar 2001 in der US-Hauptstadt das Sagen haben, selbst wenn der amtierende Vizepräsident Al Gore das Rennen macht. Clinton war erfolgreich, und man ist seiner Eskapaden und seiner Truppe überdrüssig. Die US-Wirtschaft boomt, was will man mehr? Politisch liegen alle vier Kandidaten im sicheren Mittelfeld, keiner ist ein Haudrauf wie Ronald Reagan oder Newt Gingrich. Kontrovers ist lediglich, wie der gewaltige Steuerüberschuss der kommenden Jahre verwendet werden soll: Gore plädiert für die Abzahlung des riesigen Schuldenbergs, der ein Erbe der Reagan-Jahre ist, Bradley eher für eine Krankenversicherung (endlich!) auch für jene mehr als 40 Millionen US-Bürger, die bislang keine haben. Beide wollen die Rentenkassen sanieren. Bush hingegen will die Steuern weiter senken. Sprich: Er ist für eine Fortsetzung der rauschenden Party, die die Vermögenden in den USA in den vergangenen Jahren gefeiert haben.
Interessanter verspricht da die Redeschlacht bei der Reform Party zu werden, wo Figuren wie der Rechtspopulist Pat Buchanan, die schwarze Aktivistin Lenora Fulani oder der megalomane Baulöwe Donald Trump Präsident werden wollen. Sie dürften Würze, radikale Kritik und manch schrillen Ton in den staatsmännischen Diskurs bringen.
Die wichtigste Entscheidung im anstehenden Wahlkampf der USA ist aber, ob die Republikaner die Kontrolle über beide Häuser des Kongresses behalten werden. Im Repräsentantenhaus haben nach wie vor jene ultrakonservativen Radikalinskis das Sagen, die mit Newt Gingrich dort vor sechs Jahren die Macht übernahmen. Sie können viel Unheil anrichten, obwohl sie als Präsidentschaftsbewerber chancenlos wären. Stefan Schaaf
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