: Der Status quo ist erbärmlich
Im Museum für Kommunikation wurde über Gleichberechtigung im Pop diskutiert
Von Stephanie Grimm
„WM oder Wetter, irgendwas ist immer“, stellt Elissa Hiersemann von Radio Eins zur Begrüßung fest. Unter dem Motto „Liberté, Egalité, Beyoncé“ soll im Museum für Kommunikation anlässlich der Ausstellung „Oh Yeah! Popmusik in Deutschland“ über Gleichberechtigung im Pop diskutiert werden. Draußen ist Frühling, das Museumscafé ist aber gut gefüllt – nicht nur mit Frauen. Frauen scheinen auf Bühnen, in den Medien und Charts präsenter denn je zu sein – nicht zuletzt, weil sie, wie Hiersemann findet, derzeit die interessantere Musik machen.
Der Eindruck der hohen Präsenz täuscht, zeigt jedoch die erste in die Runde geworfene Statistik. Die haben Bayerischer Rundfunk und Gema über die Top 100 erstellt Zwischen 2000 bis 2016 waren Frauen dort zu 26 Prozent vertreten, bei den Urhebern liegt ihr Anteil mit 11 Prozent noch geringer. Auf dem Panel sitzen Verena Blättermann, Referentin beim Verband unabhängiger Musikunternehmen, Leila Akinyi, Kölner Rapperin mit kenianischen Wurzeln, und Norbert Rudnitzky von Downbeat Records. Man ist sich einig: Der Status quo ist erbärmlich. Doch eine Idee, warum das so ist und wie es sich ändern lässt, hat keiner.
Klar passiere es ihr, dass sie nicht ernst genommen, ihr etwa technische Kompetenz abgesprochen werde, erzählt Akinyi. So etwas gehe in ein Ohr rein und aus dem anderen aus. „Ich versuche als Mensch, nicht als Frau ins Business zu gehen. Dadurch kriege ich einiges nicht ab“, sagt die zupackend rüberkommende, aber auch etwas naiv argumentierende Musikerin. Denn was, wenn frau auf mittlere Sicht merkt, dass sie anders als die männlichen Kollegen nicht weiterkommt? Rudnitzky betont, dass er gerne mehr Frauen unter Vertrag nehmen würde: „Bei zehn Acts, die ich angeboten bekomme, ist eine Frau dabei.“ Er kommt mit einer gewagten These um die Ecke, die er, wie er betont, von einer Frau geliehen hat, seiner Geschäftspartnerin: „Künstler sein ist riskant. Und Männer sind eher bereit, diese Risiken einzugehen.“
Blättermann sieht ein Problem auch da, dass weibliches Fantum nicht ernst genommen wird: „Für ein Mädchen hast du einen guten Musikgeschmack“, bekam sie in ihrer Jugend oft zu hören. Diese Haltung schlägt sich in den Strukturen der Industrie nieder. Zumindest gefühlt haben die Männer die cooleren Jobs. Blättermann bemängelt, dass es kaum aussagekräftige Zahlen gibt, anders als in Großbritannien. Sie wisse nur, dass 44 Prozent der Beschäftigten der Branche weiblich sind. An der Unternehmensspitze stehe aber nur bei 5 Prozent ein gemischtes Team, 7 Prozent der Chefs sind Frauen.
So landet man wieder bei der Frage: Was könnte eine Quote leisten? Bei zwei deutschen Festivals – dem Reeperbahn- und dem hiesigen Pop-Kultur-Festival – gibt es die zumindest beim Booking. Aber beim Entdecken von Künstlern nicht mehr nach Männern schauen, nur, weil noch nicht genug Frauen an Bord sind, da schüttelt Rudnitzky doch den Kopf.
Zum Abschluss reicht Hiersemann noch einen Tipp weiter, das gute, alte Netzwerken. „Redet darüber, wie geil ihr seid. Ich erlebe täglich, wie Leute das tun. Männer eben.“
Weitere Termine: 24. 4. Mary Ocher & Saba Lou; 8. 5. Barbara Morgenstern & Gudrun Gut m. Joachim Irmler; 22. 5. Vortrag Hartmut Fladt
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