„Der Spiegel“ wechselt Chefredaktion aus: Mehr „Manager Magazin“ wagen
Steffen Klusmann soll als neuer „Spiegel“-Chef Online- und Print-Redaktion zusammenlegen. Die Mitarbeitenden erfahren das aus den Medien.
Eine Viertelstunde später erschien auf der Website des Tagesspiegels eine recht kurze Meldung. Inhalt: Neuer Spiegel-Chef werde Steffen Klusmann, der bislang das Manager Magazin leitet. Stellvertreter*innen würden Spiegel-Online-Chefredakteurin Barbara Hans und Ullrich Fichtner, seit 2001 Spiegel-Reporter, die meiste Zeit in Paris.
Beim Manager Magazin saß man da gerade in der Layoutbesprechung zum neuen Heft, bei Spiegel Online lief der Tagesbetrieb im Großraumbüro. Erst am Nachmittag wurde gegenüber den verschiedenen Redaktionen bestätigt, dass Klusmann im Oktober zum Spiegel wechseln und ab Januar dann die Redaktion anführen werde.
Zwar ging schon lange das Gerücht, dass die Gesellschafter des Verlags – die Mitarbeiter KG, Gruner+Jahr und die Augstein-Erben – einen Nachfolger für Klaus Brinkbäumer suchten, dass der aber nun gefunden sei und vor allem, dass, wie so oft beim Spiegel, die Nachricht zuerst in anderen Medien stehen würde, bevor sie im eigenen Haus kommuniziert wird, damit hatte dann doch kaum jemand gerechnet.
Ex-„Stern“-Vize
Die offizielle Bestätigung des längst bekannten Wechsels an der Spitze kam dann erst um viertel vor vier. Darin der klare Auftrag an das neue Trio: Print- und Online-Redaktion sollen zusammengeführt werden. Eine gemeinsame Redaktion soll im Januar 2019 starten. Klusmann, Hans und Fichtner werden dann auch der Unternehmensleitung angehören.
Klusmann kennt die Spiegel-Gruppe schon lange von innen. Für das Manager Magazin, das auch zum Verlag gehört, schrieb er bereits Mitte der 90er. Später entwickelte und leitete er die Gruner+Jahr-Wirtschaftszeitung Financial Times Deutschland. Als sie Ende 2012 eingestellt wurde, übernahm Klusmann die stellvertretende Chefredaktion des Sterns. Ende 2013 wurde er Chefredakteur des Manager Magazins.
Dort gilt er als Reformer: Ihm ist es gelungen, Geld zu sparen, und trotzdem die Auflage des Heftes zeitweise zu steigern. Er hat ein neues Layout entwickeln lassen und die Redaktion verjüngt. Eine Bilanz, die das mächtige Gremium der Mitarbeiter des Print-Spiegels, die Mitarbeiter KG, schon lange wohlwollend beobachtete. In einer Rede vor den stillen Gesellschaftern lobte die Sprecherin der KG, Susanne Amann, bereits vor zwei Jahren die „gute Arbeit“ von Klusmann und seiner Redaktion – hatte für die eigene Chefredaktion aber nur Kritik übrig.
Mit der gibt es schon seit Längerem Konflikte. Brinkbäumer hat es nicht geschafft, den Auflagenverlust des Magazins zu stoppen. Aktuell liegt die verkaufte Auflage des Spiegels bei 704.000 Exemplaren, so niedrig wie zuletzt 1966. Vor allem aber wird ihm vorgeworfen, dass er die schon lange angestrebte Vereinigung von Print und Online nicht stark genug vorangetrieben habe. Man habe unterschiedliche Auffassungen davon gehabt, „wie die Spiegel-Redaktionen zusammenzuführen sind“, wird Spiegel-Geschäftsführer Thomas Hass in der Pressemitteilung des Hauses zitiert.
Chaotischer Mittwoch
Laut dieser soll die designierte Chefredaktion bis kommenden Januar „die geplante Redaktionsstruktur ausarbeiten und bei Spiegel und Spiegel Online in Ruhe und ausführlich vorstellen“. Der Veränderungsprozess solle „sorgfältig gemeinsam mit den Führungskräften und den Betriebsräten vorbereitet und beraten“ werden.
Besonders auf diese sorgfältige gemeinsame Vorbereitung dürften einige im Haus gespannt sein – nach diesem völlig chaotischen und verwirrenden Mittwoch.
Bei der Verschmelzung von Print und Online geht es nicht nur um journalistische, sondern auch um personalpolitische Fragen. Bislang ist es so, dass die Mitarbeiter des gedruckten Hefts in der Mitarbeiter-KG versammelt sind, die 50,5 Prozent der Anteile am Spiegel-Verlag hält, bei wichtigen Entscheidungen mitbestimmen darf und 50 Prozent des Gewinns erhalten kann. Die Onliner sind nicht Mitglieder der KG, wollen es aber werden. Letzte Woche hatte Spiegel-Geschäftsführer Hass Spiegel Online und den Spiegel-Verlag gesellschaftsrechtlich zusammengeführt und so die Voraussetzung für eine weitere Verschmelzung geschaffen.
Mit der 37 Jahre alten Barbara Hans, die seit Dezember 2016 Spiegel Online leitet, sitzt nun immerhin zum ersten Mal eine Onlinerin in der Chefredaktion und zum zweiten Mal in der Geschichte des Hefts eine Frau – auch wenn das Gremium, wie immer in der Geschichte des Hefts, von einem Mann geführt wird.
Mit dem bisherigen Chefredakteur des Spiegels, Klaus Brinkbäumer, würden „Gespräche über eine neue Aufgabe beim Spiegel geführt“, heißt es vom Verlag. Wie es mit seinen Stellvertretern Dirk Kurbjuweit, Susanne Beyer und Alfred Weinzierl weitergeht, scheint noch unklar, genauso wie die Nachfolge beim Manager Magazin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen