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Der Sonnabend beim Grünen-ParteitagRobin Hood statt Odysseus

Spitzensteuererhöhungen und eine Reichenabgabe: Die Grünen präsentieren sich auf ihrem Parteitag als große Umverteiler. Ehrengast Sigmar Gabriel zeigt den Willen zu Rot-Grün.

Die Schatten der Zukunft: Politiknachwuchs beim Grünenparteitag im Berliner Velodrom Bild: dpa

BERLIN dpa | Mit umfassenden Gerechtigkeitsversprechen und heftigen Angriffen auf die Bundesregierung haben die Spitzen von Grünen und SPD für einen rot-grünen Machtwechsel geworben. „Robin Hood ist hier, der Sheriff von Nottingham ist dagegen bei Frau Merkel, bei Schwarz-Gelb“, sagte Parteichef Cem Özdemir beim Grünen-Parteitag am Samstag in Berlin.

Entgegen aller Widerstände – so die Botschaft – träten die Grünen für eine Umverteilung von Reich zu Arm an. Konkret wollen die Grünen mit Steuererhöhungen für Vielverdiener und einer Reichenabgabe Staatsschulden abbauen und Geld für Bildung und Soziales gewinnen.

„Unser Bündnis muss mehr sein als eine rechnerisch mögliche Koalition", sagte als Gastredner SPD-Chef Sigmar Gabriel. Deutschland müsse eine andere politische Richtung einschlagen. Parteichefin Claudia Roth rief in den Jubel der rund 800 Delegierten: „Jetzt ist die Zeit für die klare Ansage – und das wird Sigmar genauso sehen: Wir wuppen das!“

Zentrale Beschlüsse

Haushalt: Auf zehn Jahre befristete Vermögensabgabe und nachfolgende Vermögenssteuer – Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49 Prozent ab einem Bruttoeinkommen von 80.000 Euro – Grundfreibetrag von 8.700 Euro (statt 8.130 Euro)

Wirtschaft: Schuldenbremse für Banken (Eigenkapitalquote von drei Prozent im Verhältnis zur Bilanzsumme) – Boni für Unternehmensbosse am Gewinn orientieren und mit anderen variablen Zahlungen auf ein Viertel des Gehalts begrenzen

Energie: Ausstieg aus der Kohleenergie bis 2030 – Stromversorgung nur aus erneuerbaren Energien bis 2030 – Reduzierung von Industriesubventionen

Arbeit: allgemeiner Mindestlohn von 8,50 Euro oder mehr – Minijobs begrenzen und langfristig ersetzen – Leiharbeiter vom ersten Tag an so bezahlen wie die Stammbelegschaft

Bildung: jährlich eine Milliarde Euro mehr für Hochschulen – Anhebung des Bafög um 300 Millionen Euro im Jahr – Erwachsenen-Bafög als Mix aus Zuschüssen und Darlehen für 200 Millionen Euro

Soziales: Anhebung des Hartz-IV-Satzes für Langzeitarbeitslose auf 420 Euro – Bürgerversicherung für alle

Familie: Abschaffung des Betreuungsgeldes – Kindergrundsicherung unabhängig vom Einkommen der Familie – Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre

Gabriel beschrieb Rot-Grün als Werte- und Richtungsalternative. „Nichts fehlt diesem Land mehr, als eine Politik, die sich wieder an Prinzipien und Werten orientiert und bei der Reden und Handeln wieder übereinstimmen.“

Moral und Fressen

Roth kritisierte politische Kurswechsel von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), „gegen deren Schlingerkurs die Irrfahrt des Odysseus ja als geordnete Reise erscheint“. Scharf ging sie mit er CSU wegen ihrer Affären ins Gericht: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral – bei der CSU kommt die Moral nicht mal nach dem Fressen.“

Angesichts der rot-grünen Umfrageschwäche bemühten sich Roth und Gabriel um Gelassenheit und Angriffsfreude. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, so Roth. Es gehe darum, Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit und besseres Leben zu erzeugen, meinte Gabriel. „Wenn wir das schaffen, dann werden wir auch die Wahlen gewinnen.“

Der Spitzensteuersatz soll nach dem Willen der Grünen von 42 auf 49 Prozent ab 80.000 Euro brutto steigen. Der Grundfreibetrag soll von 8.130 auf 8.700 Euro angehoben werden. Eine auf zehn Jahre befristete Vermögensabgabe soll Reiche mit 1,5 Prozent belasten und 100 Milliarden Euro erbringen. Nach heftigen Debatten beschlossen die Grünen auch eine dauerhafte Vermögenssteuer im Anschluss an die Abgabe.

Versöhnlicher Kretschmann

Die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold sagte an die Adresse des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, eine unzumutbare Belastung solle es nicht geben. Kretschmann hatte im Vorfeld gemahnt, die Steuerschraube nicht zu stark zu drehen.

Nun zeigte sich Kretschmann versöhnlich. Er sei „zufrieden“ mit den Änderungen am Programmentwurf und den Äußerungen der Grünen-Spitze zur Steuerpolitik, sagte Baden-Württembergs Regierungssprecher Rudi Hoogvliet am Samstag der Nachrichtenagentur dpa.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte in Celle, die Grünen forderten Steuererhöhungen um 40 Milliarden. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Grosse-Brömer, monierte, beim Grünen-Parteitag sei die wirtschaftliche Vernunft außen vor geblieben. „Mit ihren Plänen zu umfangreichen Steuererhöhungen setzen die Grünen auf eine reine Umverteilungspolitik.“

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7 Kommentare

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  • I
    Irmi

    Sabine, die Grünen, wie die anderen Parteien verteilen nicht von unten nach oben, sie verteilen wenn dann von der Mittelschicht nach oben. Denen ist wie den anderen Parteien nur eins wichtig, auf ihrem Posten bleiben zu können, von deutschen Steuergeldern läßt es sich da oben auch bestens leben.

    Am Grünenparteitag wurde gesagt, „Robin Hood ist hier . Robin Hood war der, der dem Staat das Geld nahm um es Armen zu geben. Bei uns in Deutschland ist es umgekehrt, man nimmt von denen die am Existenzminimum leben, weil die Renten viel zu klein sind und geben es den Reichen. Dazu zähle ich die Politiker und Beamte, die von unseren Steuergeldern mehr als gut leben.

     

    Die Grünen spielen sich jetzt auf, als wollten sie Robin Hood spielen. Auch ihr habt euren Vertrauensbonus längst verspielt. Was immer die jetzt im Wahlkrampf versprechen, nach der Wahl ist wieder vor der Wahl wo sie alle für Steuererhöhungen, nichts gegen all die Preiserhöhungen von Strom, Öl, Gas, Mieten, gewaltige Absenkung der Renten unternommen, sondern zugestimmt haben.

     

    Die Grünen haben auch nichts unternommen als berichtet wurde, das Banken mit Steuergeldern saniert werden, aber die Manager bekommen 10 bis 20 Millionen und mehr Bonus im Jahr.

     

    Die Grünen sind für Steuererhöhungen für Vielverdiener und einer Reichenabgabe um Staatsschulden abbauen und Geld für Bildung und Soziales zu gewinnen ???

     

    Welch ein Märchen wenn man sagt damit Geld für Bildung und Soziales gewinnen zu wollen. Gelder die dieser Staat einnimmt verschwendet er für die Rettung der durch den Euro und die aufgezwungenen Sparprogramme, durch Zockerei der Banken fast pleite gegangenen Länder.

     

    Nicht nur das, wir haben auch noch Länder in die EU aufgenommen und da haben die Grünen auch zugestimmt, die beim Eintritt schon so verarmt waren, das die Pleite vorprogrammiert ist und jetzt auch passiert. Die Türkei wäre der nächste Sozialfall, den wir deutschen Steuerzahler retten müssten, bleibt zu hoffen, das die nicht auch noch in die EU kommen.

     

    Außer der Hilfe, die dem deutschen Steuerzahler wieder Milliarden kostet, nehmen wir auch deren Armutsflüchtlinge auf. Die kommen hierher mit der Information man muss nur eine Selbständigkeit anmelden, dann bekommt man auch alle Vorteile eines NOCH einigermaßen funktionierenden Sozialstaates. Aber da gibt es dann auch Armutsflüchtlinge wo die Männer mehrere Frauen haben und von denen auch viele Kinder. Die Frauen behaupten, sie würden alle getrennt von diesem Mann leben, ihre Kinder alleine aufziehen und bekommen die Wohnung bezahlt, Sozialhilfe und Kindergeld.

     

    Nicht nur das, wir zahlen auch für die Familien der Türken die hier leben in deren Heimatland.

    Kontrolliert man was da geschieht. Schreiben an die deutsche Regierung, man müsse diesen Vertrag mit der Türkei beenden, sieht unsere Regierung im Antwortschreiben dafür keinen Handlungs-bedarf. Was steckt hinter diesem Abkommen wirklich, warum sollte man den nicht auflösen können ??

     

    All das wird unterstützt, während die Deutschen im eigenen Land um jeden Euro kämpfen andere bei den Behörden betteln müssen. Während deutsche Rentner wegen der Mietwucherei, der irren Strom-Gas und Ölpreise, wie auch der Lebensmittelpreise, nicht mehr wissen wie sie überleben sollen. Die Regierenden aber behaupten den Rentnern ginge es gut. Wie zynisch ist das denn !!!

     

    Das sollten sich die Grünen, das sollen sich alle Parteien mal zum Thema machen und endlich was ändern.

  • HS
    Hari Seldon

    Tja, die kommunistischen Wurzeln der Grünen (s. das Buch von Jutta Dittfurth): Die Grünen wollen jetzt die Linkspartei von links überholen. Bin gespannt, was die übersaturierten Neugrünen in den überteuerten "grünen" Wohn- und Villenvierteln (vollgestopft mit Tsung-Fei-Läden, usw.) zum Abkassieren sagen werden. Die Pleite des ehemaligen Osatblocks (inklusive der DDR) hat deutlich gezeigt, dass die Umverteilgesellschaften auf Pleite verurteilt sind. In einem nächsten Schritt wird jeder nur ein Taschengeld bekommen, wie in der ehemaligen DDR, usw. Tja, die grünen nichtstuer Apparatschiki müssen gut bezahlt werden. Ausserdem fehlt die Kohle für die künstlich aufgezüchteten Industrien wie die Solarzellen- und Windmühlenindustrie. Mit neuen Steurn können noch mehr deutsche Steuergelder---als Subvention---nach China transferiert werden (s. die Solarzellenimport aus China finanziert aus EEG und ähnlicher Abzockerei).

     

    Zum Glück sind die Grünen mit diesem Programm ganz sicher auf der Verliererseite: Das Volk ist letzendlich nicht dumm und blöd, und langsam aber sicher versteht jeder: Dumm, dümmer, Grün.... Übrigens, bei den Grünen sind die wirklichen Ökos schon seit langem nur eine gerade noch geduldete Minderheit.

  • S
    Sabine

    Gr0ße UmverteilerInnen sind die Grünen! Sobald sie regieren, verteilen sie das Geld von unten nach oben.

     

    Das haben sie von 1998 bis 2005 bewiesen, als sie mit der SPD auf Bundesebene konsequent Politik gegen die kleinen Leute gemacht haben.

     

    Und seit sie in der "Opposition" sind haben sie sich nicht gebessert: Die Grünen stehen stets auf der falschen Seite. Unter CDU-Kanzler Kohl lag der Spitzensteursatz vor langer zeit schon mal bei 53 Prozent. Das ist den Grünen heute zu "Links", d- ie spinenn doch.

     

    Das Schlimmste: Sie tun immer noch so, als seien sie Links und ökologisch. Das ist zynisch.

     

    Und dann machen sie im TV noch Schleichwerbung für bionade, die im Rucksack vor den Fernsehkameras vor der nervigen Claudia Roth steht.

  • P
    Paulrei

    Den gut genährten Grünen wird es zu wohl!

     

    Der Slogan: "Wer sonst keine Probleme hat, wählt GRÜN", kann sich bald ändern in: "Uns geht es nicht gut genug, deshalb schröpfen wir halt den Mittelstand - Die GRÜNEN". Wer 80.000 EUR verdient, hat ein solides und gutes Einkommen, ohne Zweifel. Damit lässt sich was anfangen. Wer aber behauptet, mit diesem Gehalt sei man reich, ist entweder ein Tiefroter oder realitätsfremd. Die richtig hohen Einkommen fangen doch erst jenseits der 200.000 € an. Das sind über 16.000 € pro Monat. Hier wäre mit 60% Lohnsteuer anzusetzen und vielleicht jenseits der 500.000 mit 70%. Denn es braucht niemand Löhne von mehr als 15.000 maximal 20.000 EURO monatlich. Warum schon bei 80.000 anfangen? Das ist so ähnlich wie Tempo 120 auf der Autobahn. Mit der Grenze 150 km/h wären sicher deutlich mehr Bürger einverstanden. Alles was schneller fährt, müsste dann halt deutliche Strafen zahlen. Immer wenn eine „Partei der Mitte“ versucht Durchschnittpolitik zu machen, kommt so ein Brei dabei heraus. Ich verdiene keine 80.000 pro Jahr, ärgere mich aber trotzdem über die kleinbürgerlichen Vorstellungen von „reich“ und „schnell“. Schon deshalb kann ich nicht grün wählen.

  • M
    marco

    Das alte Lied: Steuern, Steuern, Steuern.Nur dass stets die getroffen werden die ohnehin immer bezahlen. Jau, ein paar mehr im gesunden Mittelstandsbereich die erfolgreich waren.

    Ob jemand 1 Million hat oder 900tausend oder vielleicht 2,3 Millionen, was bedeutet das denn heute nach zig Jahren erfolgreicher Arbeit? Rechnet man das als zugegeben gute Rente ueber 20 oder 25 Jahre ist das nicht so viel und sollte nicht als "reich" bezeichnet werden.

    Wenn man aber endlich die Schlupfloecher der Konzerne, die Tricks und Kniffe und Firmenverschachtelungen aufloest die Milliarden an Steuerzahlungen verhindern waere rein rechnerisch sowohl das Defizit beseitigt als auch ausreichend Mittel vorhanden unseren Sozialstand wieder auf fuer alle gerechte Fuesse zu stellen, im schlimmsten Fall auf den Stand bevor die soziale Kettensaege Schroeder das System zerstoert hat.

    Bevor wir die notwendige Diskussion ueber Ethik von besitz und Verantwortung fuehren spannen wir doch erst einmal das Pferd wieder vor den Wagen .

    Oder sind die Gruenen bereits so geschawearzt, dass sie sich an diese schwierige Problemstellung auch nicht mehr herantrauen?

    Ein paar Millionaere und Schwarzfahrer zur Kasse zu bitten schafft meinetwegen kurzfristig etwas Geld ran und besaenftigt das Gefuehl von Ungerechtigkeit bei der breiten Masse, langfristig aber hilft nur die Entflechtung und Besteuerung der grossen Konzerne und Banken. Das allein garantiert eine planbare Menge an Geld fuer die Zukunft unseres Systems. Das koennte sogar das Rentensystem retten.

  • OM
    Old McDonald

    Wenn ich das richtig sehe, gab es unter Kohl höhere Steuersätze als im grünen Programm vom Wochenende(für sehr Reiche betrugen sie in den USA unter Reagan sogar 90%).

    Das sagt alles aus über die Zeiten, in denen wir leben. Wenige Privilegierte leben zu Lasten der Mehrheit; in einem der reichsten Länder der Welt kann ein beträchtlicher Teil der arbeitenden Bevölkerung weder von ihrer Arbeit leben noch sich davon eine ausreichende Rente finanzieren.

  • P
    Passivista

    Mein Gott,ist das peinlich!