■ Querspalte: Der Schumi-GAU
Seit Tschernobyl wissen wir: Das Schreckliche – es passiert irgendwann tatsächlich. Deshalb macht es keinen Sinn, die Augen zu schließen und katatonisch erstarrt auf die Katastrophe zu warten. Stellen wir uns der Realität und machen uns stets auf das Schlimmste gefaßt.
Das Schlimmste startet am Sonntag in Australien und heißt Formel-1-Weltmeisterschaft. Wenn es ganz dick kommt – „worst case“! – dann wird dieses Jahr SchumiI (Michael der Ältere) Weltmeister und Heinz-Harald Frentzen Vizeweltmeister oder umgekehrt. Und SchumiII (Ralf der Jüngere) rast auch noch unter die Besten.
Ein deutscher Doppel- oder Dreifachsieg. Ist Ihnen das ganze Ausmaß dieses röhrenden Super-GAUs bewußt? Wissen Sie, was dann auf unseren Straßen los ist? Wie die vielen kleinen Schumachers und Frentzens dann mit ihren Fuchsschwänzen, ihrer Rallyestreifenerotik und den tiefergelegten Glücksgefühlen PSomanisch über die Dörfer kacheln, an der Jet- Tankstelle Boxenstopp machen und uns auf dem Baumarkt-Parkplatz in der Gegengerade ausbremsen? Können Sie sich das wirklich vorstellen?
In Italien ist alles anders. Wenn Ferrari gewinnt, treffen sich Pfarrer, Bürgermeister und Einwohner in den Dörfern der Emilia-Romagna auf der Piazza. Man fällt sich in die Arme und weint. Aber in Deutschland wird nicht geweint. Da wird der „Kadett“ bestiegen.
Was können wir tun? Wir dürfen hoffen. Der Kanadier könnte uns helfen. Jacques Villeneuve ist der einzige ernsthafte Konkurrent für Schumi und Frentzen. Also: Kauen wir Ahornblätter, essen wir Holzfällersteaks, legen wir Neil Young und Leonard Cohen auf. Wenn das auch nichts bringt, hilft nur noch beten: Lieber Gott, mach, daß Schumi der Reifen platzt, die Ferrari-Crew patzt, Frentzen an die Bande klatscht. Wenn ER sich verweigert, bleiben nur noch alte Gewißheiten: Im Ernstfall hilflos. Kinder einsperren, Türen und Fenster verrammeln, geschlossene Wohnräume nicht verlassen! Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen