: Der Quotenmann aus Oberkirch
Hauptsache „Event“: Ob nun die Eröffnungsgala der IFA, „Verstehen Sie Spaß?“, Bambi-Verleihungen oder die „Krone der Volksmusik“ – die Sendungen kennt jeder, kaum einer ihren Macher. „Ich brauche keine Publicity“, sagt Werner Kimmig
von WOLFGANG MESSNER
Wer Werner Kimmig treffen will, sollte viel Ausdauer mitbringen. Einen Termin mit dem Fernsehproduzenten zu finden ist nicht leicht. Denn Werner Kimmig ist ständig auf Achse, nie hat er Zeit. 90.000 Kilometer fährt er jedes Jahr mit dem Auto, mindestens 100 Mal ist er irgendwo im Flugzeug unterwegs. Hamburg, München, Stuttgart. Und am Samstag in Berlin. Dort präsentiert die ARD die Eröffnungsgala zur 43. Internationalen Funkausstellung (IFA). Produzent der Sendung: Werner Kimmig. Bei Fernseh-Events führt kaum ein Weg an dem 52-Jährigen aus Oberkirch vorbei.
Der Papst aus der Provinz
Oberkirch? Die beschauliche badische Kleinstadt in der Ortenau mit ihren 20.000 Einwohnern ist vielleicht bekannt für ihren Wein. Der Barockdichter Johann Jacob Christoffel von Grimmelshausen (1625–1676) verbrachte hier 17 Jahre als Verwalter und schrieb an seinem Hauptwerk „Simplicius Simplicissimus“. Aber was soll es hier geben außer einer mittelständischen Industrie, dem üblich regen Vereinsleben, einer pittoresken Burganlage und dem schönen Schwarzwald? Nun, eben Kimmig.
Der untersetzte, hektische Mann, der immer drei Dinge gleichzeitig tun muss, ist bei der Event-Präsentation unter den privaten TV-Produzenten die Nummer eins. Dennoch kennen ihn nur Insider der Branche. Er selbst sagt: „Meine Kunden sind die zwanzig Unterhaltungschefs der deutschen TV-Sender. Ich brauche keine Publicity.“
Das aber ist vermutlich nur die halbe Wahrheit. Zwar ist für den Medienunternehmer Kimmig die Internationale Funkausstellung nur eine Großveranstaltung unter vielen, die er mit seinen 17 fest angestellten und vielen freien Mitarbeitern jedes Jahr produziert. In seinem monatlich herausgegebenen Medien-Report stellt er die Leistungen seiner Firma aber dann doch ganz gern zur Schau. Für die Eröffnungsgala der Funkausstellung aus dem Neuköllner Hotelbunker Estrel wird beispielsweise ein beachtlicher Aufwand getrieben. Aufgabe sei es, die technischen Neuerungen der IFA „unterhaltsam“ zu präsentieren – mit „kurzweilig vorgestellten Zukunftsvisionen“ und einem „Future Quiz“, bei dem der Zuschauer unter zwölf Innovationen eine falsche erraten soll. Das „Staraufgebot“ ist selbstredend so „rekordverdächtig“ wie die ganze Veranstaltung.
Geschmack der Massen
Aufgeboten wird die derzeit angesagte Seicht-Pop-Garnitur für den breiten Massengeschmack – von Lou Bega und Lisa Stansfield bis Vanessa Mae, den No Angels, Peter Maffay und Olli P. Auch das MDR-Fernsehballett darf nicht fehlen. Als Talkgäste marschiert die vorderste Reihe der ARD-Unterhaltung auf: Reinhold Beckmann, Cherno Jobatey und der „Neue“, Jörg Pilawa, unterstützt vom alten Frontschwein Dieter Hallervorden und reizenden TV-Damen wie „Tagesthemen“-Moderatorin Anne Will und der Sportpräsentatorin Franziska Schenk. Präsentiert wird die Chose von Carmen Nebel. Da, ist sich Kimmig sicher, kann eigentlich nichts mehr schief gehen.
Wird wohl auch nicht. Denn Kimmig ist der „Quotenmann“ der Branche. Erst am 13. Januar hatte er für die ARD die „Krone der Volksmusik“ abgeliefert und die Traumzahl von 8,8 Millionen Zuschauern eingefahren. Fünf der zehn erfolgreichsten Preisverleihungen des Jahres 2000 hat der Badener produziert – darunter den „Bambi“ für das Haus Burda und die ARD, den „Deutschen Fernsehpreis“ im ZDF und den „Bayerischen Fernsehpreis“ (RTL). Bei den zehn populärsten TV-Musiksendungen im Jahr 2000 stammen immerhin vier von ihm – darunter zwei mit den Altpoppern Flippers. Dazu kommen 116 Folgen der volkstümelnden „Wunschbox“ für die ARD. Die Gesamtsendezeit seiner 626 Produktionen lag im Jahr 2000 bei 36.500 Minuten. Das meiste ist Schlager- und Volksmusik.
Dabei kam der geschäftige Badener nur zum Fernsehen, weil sein Freund Kurt Felix 1981 einen Produzenten für seine Abendshow „Verstehen Sie Spaß?“ brauchte. Kimmig, der bis dahin keine Ahnung vom Fernsehen hatte, sagte zu. Für Felix und dessen Nachfolger Harald Schmidt hat er über 600 Filme gedreht. Auch bei den neuen Staffeln mit Moderator Cherno Jobatey mischt er wieder mit.
Mit 20 schon Werbeleiter
Angefangen hat der Sohn eines Krankenwagenfahrers und einer Näherin aber im Hause Burda im nahen Offenburg, ganz brav als Verlagskaufmann. Mit Anfang 20 war er bereits Werbeleiter der Freizeit-Revue. Nebenbei organisierte der Jungspund für den alten Senator Franz Burda eine erfolgreiche Werbekampagne gegen die Teilung von Baden-Württemberg. Die Volksabstimmung ging 1970 für den Erhalt des Bindestrich-Staates aus, und Kimmig kam als 25-Jähriger – ausgestattet mit einem Beratervertrag von Burda – auf den Geschmack der Selbstständigkeit.
Zunächst managte er die Sängerin Paola und andere Schlagersternchen wie Ingrid Peters, Ricky King und Costa Cordalis. Auch Roger Whitaker, Julio Iglesias oder Jennifer Rush ebnete er den Weg in den deutschen Markt. Früh verbündete er sich mit der amerikanischen Plattenfirma CBS und promotete Bob Dylan und Bruce Springsteens erste Deutschland-Tournee. Auf dessen Musik steht er nach wie vor.
Wenn man ihn daher auf die Volksmusik-Schiene festlegen will, wird er fuchsig. „Ich produziere erfolgreiche Events – egal in welcher Musikrichtung“, kriegt man zu hören. Doch in seinem Medien-Report zeigt er sich bodenständig, kämpft für „bessere Umgangsformen“ und eine heile Welt. Für seine konservativen Ziele setzt er sich auch im „Bundesfachausschuss Medien“ der CDU ein, wohin ihn sein Freund Günther Oettinger, der CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, geholt hat. Er selbst trug Anfang der 90er-Jahre mit 200 Folgen von „M – ein Männermagazin“ auch ein wenig zum frühen Schmuddel-Image von RTL bei. Auch dies aber – wie gehabt – sehr erfolgreich.
Viele einflussreiche Medienschaffende haben eine hohe Meinung vom Mittelständler Kimmig, nicht nur weil er ein Garant für beständig gute Zuschauerzahlen ist. Sie schätzen den ideenreichen Schnellschwätzer und Vielarbeiter auch wegen seiner Zuverlässigkeit und seines Pragmatismus. Der geistesverwandte Medienzar Hans R. Beierlein schrieb ihm zum 50. Geburtstag: „Wo an den Schaltstellen deutscher Medienwelt jemand hinkommen mag: Werner Kimmig war schon da.“
Immer hat aber auch er nicht die Nase vorn. Die Eröffnung der Expo 2000 hat das ZDF lieber alleine gemacht. Macht aber nichts. Kimmig bringt mit Ottfried Fischer („Der Bulle von Tölz“) als nächstes für die Mainzelmännchen das Oktoberfest ins Haus. Angesichts des Staraufgebots (Lou Bega, Hansi Hinterseer, Tony Marshall, Roberto Blanco usw.) gibt sich der Chef gewohnt siegesgewiss: „Ich bin sicher, dass wir der deutschen Fernsehunterhaltung damit ein neues Highlight verordnen.“
Sein Traum: die WM-Gala
Einen Traum möchte sich auch Kimmig gerne noch erfüllen: Die Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Ob das nicht doch etwas hoch gegriffen ist? Kimmig lächelt. „Natürlich traue ich mir das zu. Das wäre eine Herausforderung. Dafür würde es sich lohnen, drei Jahre zu arbeiten.“ Nur eines würde Kimmig nie wollen: „Nichts in der Welt bringt mich aus Oberkirch weg.“
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