Der NOlympia-Rap: Auf den Mond, auf den Mond
Am 1. August 1936 begann die Nazi-Olympiade. Nun will Berlin das Event wiederholen. Dabei hat die Stadt statt Geld nur Größenwahn. Zeit für ein Protestsong.
Hey IOC / versuchs mit Dauerlauf / Volkssport bringt uns super gut drauf / Du bist Hase, wir sind Igel / Wir sind immer schon da / Die ganzen Taschen voller Schmiergeld / Da ist doch sonnenklar / Du bleibst auf der Strecke / Lange vor dem Ziel / Aber das ist uns egal / Bist uns eh viel zu viel / Es wird allerhöchste Zeit für dich, du Korrumpist / Dass du dich auf den Mond verpisst
Olympiadas en la luna / the olympics on the moon / les jeux sur la lune / aber niemals, niemals wieder in Berlin
Mensch Kai, bist ja einverWegner Typ / Du hast diese Stadt nur ein bisschen zu sehr lieb / Drum denkst du und hängst nu am Größenwahn / Doch das ist gerade das, was Berlin nun gar nicht kann
Falls du’s vergessen hast, lies in Geschichte nach / Nach Olympia lag Berlin noch jedesmal brach
1916: Berlin hat eine sehr lange Geschichte mit Olympia. Bereits die Spiele im Jahr 1916 waren an die damalige Reichshaupstadt vergeben worden. Die Bewerbung war schon damals vor allem ein Anliegen der Funktionäre. Die Vorfreude der Bevölkerung auf Olympische Spiele war damals wenig ausgeprägt. Die Spiele fielen dann wegen des Ersten Weltkriegs komplett aus.
1936: 20 Jahre später fanden die Spiele tatsächlich in Berlin statt. Sie begannen am 1. August. Die Nazis nutzen sie zu einer Propagandashow. Eingeleitet wurde die Bewerbung 1929 noch unter Berlins erstem Oberbürgermeister Gustav Böß (DDP), der als Freund von Sport und Glimmer galt. Wenig später musste er zurücktreten, weil seine Frau einen Pelzmantel viel zu billig von windigen Textilherstellern bekommen hatte.
2000: Direkt nach dem Mauerfall träumten der damalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) von Olympia im Millenniumsjahr. Dagegen formierte sich eine starke, teils militante Anti-Olympia-Bewegung. Allein die Bewerbung kostete geschätzt 50 Millionen Mark (25 Millionen Euro) und scheiterte kläglich. Die Spiele wurden an Sydney vergeben.
2036: Ausgerechnet zum 100-jährigen Jubiläum der Nazi-Spiele will der Berliner Senat die Spiele wieder in die Stadt holen. Und das in einer Zeit, in der die Landesregierung die Beheizung der Freibäder gestrichen hat, weil dafür das Geld fehlt. Bisher ist nicht einmal klar, ob sich die Stadt gegen die nationalen Mitbewerber Hamburg, München und Rhein/Ruhr durchsetzen kann.
1916 sollten erstmals hier die Spiele sein / Stattdessen gings mit Pauken und Trompeten in den Krieg hinein / Und die Jugend der Welt rang nicht um Bronze, Silbe, Gold / Sie saß im Graben bei Verdun und holte sich den Tod
Gut 15 Jahre später … ach welch glänzende Idee … / Träumte ein Bürgermeister / erneut von den Spielen an der Spree / Er selber war dann, das musst du wissen, Kai, mein Lieber / – Stichwort Pelzmantelaffäre – / schnell wieder hinüber
Empfohlener externer Inhalt
NOlympia-Rap (Version 2025) als Video

Es blieb der rote Teppich / den Nazi hingerollt / für Propaganda 36 / das hatt' er sicher nicht gewollt – oder Kai?
Nach dem Mauerfall / da war Berlin schon wieder mal wer / Und Ebi Diepgen sagte, Olympia muss her / Zum Glück war er ein Looser und kein bestechender Typ / Drum hatte ihn das IOC nicht so richtig lieb / Ohne Korruption wird man da nicht wertgeschätzt / So hat Berlin die Bewerbung in den Sand gesetzt
1993: Im September 1993 hat das IOC die Olympischen Spiele für das Jahr 2000 vergeben. In den Monaten zuvor wuchs in Berlin die Anti-Olympia-Bewegung. Zu der letzten großen Demonstration eine Woche vor der Entscheidung kamen laut taz 18.000 Menschen. Die Demo zog vorbei am Hausprojekt Kastanienallee 77 im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Auf dessen Dach spielte eine Band die erste Fassung des NOlympia-Raps.
2025: Heute ist der damalige Sänger seit Jahrzehnten Redakteur bei der taz. Ende letzten Jahres entdeckte er ein Foto vom damaligen Protest in der Ausstellung „Träum weiter – Berlin, die 90er“. Als wenig später der Berliner Senat die erneute Bewerbung für das Jahr 2036 oder später beschloss, war schnell klar: Es muss eine Neufassung des NOlympia-Raps geben – umgesetzt mit seinem heutigen Bandprojekt grimo. Die Welturaufführung gab es kürzlich beim Hoffest des bis heute existierenden Hausprojekts in der Kastanienallee.
Das Video finden Sie hier: https://www.youtube.com/watch?v=JtRHdJWHKnI
So liegt sie auf der Hand, die Moral der Geschicht: / Olympia in Berlin – bitte nicht!
Im Erfolgsfall / wird Berlin an Spekulanten verschenkt / Im Glücksfall / ein paar Millionen für die Bewerbung versenkt / Im Unglücksfall / ist in Europa eh bald wieder Krieg / Und im Worst Case? / Schrein 100 Jahre später wieder Nazis „Sieg“.
Also Kai, nimm deinen Teddybär / Wie damals Eberhard / Das fällt dir doch nicht schwer / Und dann penn' dich mal aus in 'nem gemütlichen Bett / In Olympiabettwäsche / das wäre für dich doch richtig nett / Und dann kannst du dann träumen / Von deinem Berlin / Vom Investorenparadies / Von Gestank nach Benzin
Aber wenn du aufwachst / ich warn dich / nicht mit uns / Dann ist Schluss mit deinem Olympiagestrunz / Ich rat dir nur eins / halt dir die Ohren gut zu / Denn hier draußen singt das Volk /und das jubelt dir nicht zu
Aber Paris, schrein nun alle / Das war doch wunderschön / Mit Volleyball am Eiffelturm / und Schwimmen in der Seine / Zum Glück konnt niemand sehn / die Merde direkt daneben / die war da auch im Fluss / Stadt als Kulisse, schöner Scheiß / das ist so richtig Stuss
Von den Pariser:innen / war doch kaum noch einer da / Wer es sich leisten konnte, nahm reiss’ aus / Und wer nicht? Der flog halt raus!
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Der NOlympia-Rap bei bandcamp

Aber wir … wir gehn nicht weg / wir bleiben alle! / Da! /Und deshalb wird's hier nix mit Olympia / Denn Wir Bleiben Alle / das ist klar / Und deshalb wird s hier nix mit Olympia
Und überhaupt / was sollen das für Spiele sein im Pleiteberlin?
Da bleibt nur / Eiswasserschwimmen … in unbeheizten Becken / Autorennen auf Spielstraßen / und andren Nebenstrecken / Dazu Autowahnplanieren / durch Friedrichshainer Lücken / Spreeüberqueren auf bröckelnden Brücken / ungeschütztes Kampfradeln / in pollerfreien Zonen / Als Spektakel live gestreamt mit hundertausend Drohnen / Wo man in Zeitlupe sieht / Wie ein Laster rechts abbiegt / Und dann ein Radler unterm Rad sein Leben verlor / Aber pittoresk im Hintergrund das Brandenburger Tor
Dazu dank Klimawandel zeitgemäß der Hitzemarathon / Vor reflektierenden Fassaden / aus Glas und Beton
Und dann noch Geldsackhüpfen im Grunewald / Samt Mietenhochsprung – 25 Euro kalt
Ein echter Nervenkitzel auch / das Theater ohne Geld / Auf dem Spielplan nur das eine Stück / „Wie es euch nicht gefällt“ / Und Gold bekommt dann der / Der diese miese Inszenierung am längsten aushält
Was wir zu Olympia sagen? / An Müggel, Spree und Panke? / Nein, Danke!
Aber wär’s denn dann besser an der Elbe? / An Isar, Ruhr und Rhein? / Danke, nein!
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