Kommentar: Der Musterknabe
■ 100 Tage Rot-Grün: Joschka Fischer erhält seine guten Noten zu Unrecht
Von allen rot-grünen Kabinettskollegen erhält Außenminister Joschka Fischer die besten Noten. Dafür reicht aus, daß er durch die Welt jettet und überall die „Kontinuität“ der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik beteuert. Ein Beleg, wie sehr die öffentliche Debatte über dieses Politikfeld auf den Hund gekommen ist. Sicher, größere Schnitzer hat Fischer bislang vermieden. Auch versteht er es, in der heiklen Frage (der Finanzierung) der EU- Erweiterung die Regierungsposition weniger grobschlächtig zu vertreten als Kanzler Schröder. Schließlich hat Fischer mit dem Verzicht auf einen baldigen ständigen Sitz Deutschlands im UNO-Sicherheitsrat oder in der Menschenrechtspolitik einige richtungweisende Akzente gesetzt.
Aber die Taten und Ankündigungen Fischers sind weit entfernt von den Zielen, die in der Koalitionsvereinbarung unter dem Anspruch „Deutsche Außenpolitik ist Friedenspolitik“ formuliert wurden. Das macht die gestern veröffentlichte Studie des Hamburger Instituts für Friedensforschung und Sicherheit (IFSH) deutlich. Die Bereitschaft der Bundesregierung, die UNO und OSZE mit personellen und materiellen Mitteln für die Krisenprävention auszustatten oder die Mittel für die Friedens- und Konfliktforschung aufzustocken, bleibt weit hinter den Erfordernissen zurück. Gleichzeitig wird an unsinnigen Rüstungsprojekten der Kohl-Regierung ebenso festgehalten wie am fragwürdigen Konzept der Krisenreaktionskräfte. Die Arbeit der in der Koalitionsvereinbarung beschlossenen Wehrstrukturkommission, die ja die künftigen Aufgaben, Bewaffnung und Struktur der Bundeswehr neu bestimmen soll, wird damit zum Teil schon vorab ad absurdum geführt.
Am deutlichsten ist der Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei den Themen Nato und Gewaltmonopol der UNO. Die rot-grüne Regierung hat im Herbst mit der Zustimmung zu den Drohungen der Nato für Luftschläge gegen Serbien gegen das Gewaltmonopol der UNO verstoßen, wie das IFSH zu Recht feststellt. Inzwischen ist der damals behauptete „einmalige Ausnahmefall“ zum Normallfall geworden. Wie die Bundesregierung nun noch verhindern will, daß unter Berufung auf den Fall Serbien/Kosovo beim Nato-Gipfel im April die westliche Militärallianz grundsätzlich zum weltweiten Interventionsinstrument auch ohne UNO-Mandat erklärt wird, ist völlig unklar. Andreas Zumach
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