Der Miethai: Wahre Größe
Sylvia Sonnemann ist Geschäftsführerin bei Mieter helfen Mietern
Maßgeblich bei Mieterhöhungen auf die ortsübliche Vergleichsmiete ist allein die tatsächliche Wohnungsgröße. Was für jeden Menschen selbstverständlich erscheint, hat nun auch der Bundesgerichtshof (BGH) am so entschieden (Az: VIII ZR 266/14). Denn es ging und geht bei diesem Thema im Mietrecht keineswegs vernünftig zu.
Bis 2004 konnte ein Vermieter die Fläche im Mietvertrag ungestraft zu hoch ansetzen. Diesem schob der BGH einen Riegel vor, indem er 2004 entschied, dass eine Fläche, die tatsächlich mehr als zehn Prozent geringer ist als im Mietvertrag angegeben, einen Mangel darstelle, der zur Minderung berechtigt (Az: VIII ZR 295/03). Gut gemeint, aber mit der negativen Folge, dass sich nun offenbar viele Vermieter darin bestärkt sahen, dass man neun Prozent einfach aufschlagen könne. Mieter, die sich über die Flächenabweichung beschwerten, erhielten oft lapidare Hinweise auf die Toleranzschwelle, die der BGH bestätigt habe. Besonders bitter, wenn man selbst bei einer Mieterhöhung weiterhin die nicht vorhandenen Flächen bezahlen sollte – das nämlich bestätigte der BGH in mehreren Urteilen.
Der aktuellen Kehrtwende des BGH gingen Forderungen der Mietervereine voraus, endlich die tatsächliche Wohnfläche zum verbindlichen Maßstab für die Mietvertragsparteien zu machen, die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung aufgegriffen wurden: Die tatsächliche Wohnfläche solle zur Grundlage von Ansprüchen im Mietverhältnis gemacht werden. Nun fehlt es noch an einer verbindlichen Festlegung für den Zeitpunkt der Anmietung, und für die Umlage der Nebenkosten und bei Modernisierungsmieterhöhungen. Das Bundesjustizministerium hat angekündigt, zum Sommer eine entsprechende gesetzliche Regelung zu treffen. Hoffentlich schleichen sich keine neuen Toleranzen ein! Sylvia Sonnemann
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