Der Konsens-Kandidat: "Ich schätze Kompromisse"
Umwelt-Staatssekretär Ulf Kämpfer (SPD) will nach dem Rücktritt von Susanne Gaschke neuer Oberbürgermeister von Kiel werden.
taz: Herr Kämpfer, Sie haben sich gerade die Vorweihnachtszeit verdorben – warum wollen Sie ein Amt, das zurzeit so einen schlechten Ruf hat?
Ulf Kämpfer: Es stimmt, dass ein Kieler Bürgermeisterwahlkampf in einer schwierigen Phase für die SPD und ihre Kooperationspartner startet. Aber wenn sich die Nebel heben, dann ist Kiel einfach eine schöne Stadt, die sich toll entwickelt hat.
Sie haben in den vergangenen Jahren oft den Job gewechselt: Sie waren in zwei Ministerien tätig, dann Amts- und Oberlandesrichter. Nun sind Sie Staatssekretär im Umweltministerium. Wie wollen Sie die Kieler überzeugen, dass Sie es länger auf dem Stuhl aushalten als die beiden Vorgänger?
Ich habe zurzeit einen spannenden Job, aber die Kandidatur für das Bürgermeisteramt ist eine Lebensentscheidung. Das soll nicht heißen, dass ich den Stuhl erst ist in 25 Jahren wieder räumen will. Aber sechs plus x Jahre sollten auf jeden Fall sein. Die Stadt hatte in elf Jahren fünf Bürgermeister, sie braucht Kontinuität.
Susanne Gaschke wollte einen neuen Stil ins Rathaus bringen. Wie sehen Sie sich: als klassischer Verwaltungschef oder als Seiteneinsteiger?
Wenn man Politikferne als Wert postuliert, stecken dahinter häufig heimliche Ressentiments: Politiker sind doof, Politik ist schmutzig. Ich selbst bin als Verwaltungsjurist kein Seiteneinsteiger, aber ich sehe mich auch nicht als klassischen Silberrücken. Ich bin kein Lautsprecher, sondern lege Wert darauf, Kompromisse zu schließen.
Welchen Kompromiss sehen Sie im Steuerfall Uthoff, also jenem Augenarzt, dem Susanne Gaschke einen Teil seiner Steuerschuld erließ? Kommt einem da nicht die Galle hoch, wenn so eine schillernde Persönlichkeit am Ende vielleicht nur einen Teil seiner Steuern zahlen muss?
Herrn Uthoff als Person finde ich nicht sonderlich interessant. Der Fall wäre ebenso relevant, wenn ein Strunzlangweiliger betroffen wäre. Problematisch finde ich eher, warum das Verfahren so lange gedauert hat und so verkorkst worden ist. Hier muss man nach Wegen suchen, damit solche Situationen nicht entstehen. Herr Uthoff tut mir zwar nicht leid, aber 15 Jahre unter dem Damoklesschwert einer Steuerschuld zu leben, ist nicht angenehm. Und diese lange Zeit hat nicht er allein verschuldet.
Was sind Ihre Projekte für Kiel?
Ganz plakativ gesagt: Wohnen, Wirtschaft, Kinder, Klima. Es gibt mehr als genug gute Ideen, angefangen von der Stadtregionalbahn bis hin zu den Plänen für das ehemalige Gelände des Marinefliegergeschwaders 5. Kiel ist nicht reich, es gibt viele schattige Seiten, die ich als Familien- und Bereitschaftsrichter sehr gut kenne. Um dort etwas zu ändern, bedarf es vieler kleiner Schritte und eines langen Atems, auch wenn das erst mal nicht plakativ und nicht sexy ist. Das Thema Wohnraum für Familien und Ältere, das Susanne Gaschke angepackt hat, findet ich sehr wichtig und da will ich weitermachen.
Zwei Stichworte haben Sie nicht erwähnt: Die Ansiedlung des Kaufhauses Möbel Kraft, gegen die zurzeit Unterschriften gesammelt werden, und der Bau eines Kraftwerks.
Die Entscheidung für Möbel Kraft ist hart für die betroffenen Kleingärtner, aber richtig. Ich bin ein Verfechter von Bürgerentscheiden, aber man hätte ihn früher angehen sollen. Inzwischen ist das Projekt bereits weit vorangeschritten. Und dass ein modernes Gaskraftwerk entsteht, ist wichtig für Kiel und sollte nicht die einzige Komponente der Energiewende bleiben.
Wie sehen Sie Ihre Chancen bei der Wahl?
41, Verwaltungsjurist und seit 2012 Staatssekretär im Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein. Die Findungskommission von SPD, Grünen und SSW hat ihn als OB-Kandidat in Kiel vorgeschlagen. Am 14. Dezember stimmen zunächst die Kreisparteitage der drei Parteien über seine Kandidatur ab.
Bisher bin ich ja nur der Kandidat der Findungskommission, aber wenn SPD, Grüne und SSW mich gemeinsam unterstützen, rechne ich mir gute Chancen aus. Die aufgekommene Idee, dass sich alle Parteien auf einen Kandidaten einigen, finde ich einen falschen Reflex – das würde die Wahlbeteiligung wieder drücken.
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