■ Kommentar: Der Kater ist garantiert
Schwere Zeiten, neue Wege. Das hatte die Große Koalition geschworen. Diesmal sollte bei den Haushaltsberatungen alles ganz anders gemacht werden, erinnert man sich dunkel. Zuerst wurde der Termin für die Verabschiedung des Haushalts 1997 bis in den Februar nächsten Jahres verschoben – damit mehr Zeit zur Vorbereitung bleibt. Prima. Dann wollte der Senat in Arbeitsgruppen die Schwerpunkte herausfiltern – richtig professionell eben. Einmünden sollten die Vorarbeiten in ein – Klasse, Klasse – Richtlinienpapier, dem Gerüst für einen soliden Sparplan. Bei den nachfolgenden Chefgesprächen zwischen Ressortchefs und der Finanzsenatorin sollten dann die Beschlüsse in trockene Tücher gebracht werden. Wir waren schwer beeindruckt. Als dann noch der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Böger verkündete, diesmal werde die Spardebatte nicht hinter verschlossenen Türen, sondern öffentlich mit der Bevölkerung geführt, da waren wir echt begeistert.
Seit Sonntag sitzen die Senatoren hinter verschlossenen Türen – und streiten wie die Bierkutscher. Öffentliche Spardebatte? Da muß man sich wohl verhört haben. Es ist nicht einmal klar, ob der Zielpunkt 1999 Konsens ist oder die Sparbemühungen ein paar Jahre gestreckt werden und dafür eifrig Tafelsilber verhökert wird. Auch von professioneller Vorbereitung der Klausur kann kaum die Rede sein. Statt dessen wurde die Klausur um einen Tag verlängert. So wird es kommen, wie es immer war: Am Ende steht die Nacht der langen Messer. In trüben Morgenstunden schnüren total übernächtigte Verhandlungspartner ein Paket, bei dem sich die Beteiligten am nächsten Tag an den schweren Kopf langen und fragen, wie sie solchen Vereinbarungen zustimmen konnten. Doch um den schweren Kopf der Senatoren geht es nicht, wenn heute die Ergebnisse der Sparklausur bekanntgegeben werden. Den Kater danach, das ist sicher, werden die Berliner aushalten müssen. Gerd Nowakowski
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